Düsseldorf Islamisten sollen schon im Gefängnis abschwören

Düsseldorf · Der Verfassungsschutz spricht Dschihadisten an, um sie aus dem Milieu herauszuholen. Trotzdem steigt die Zahl der Salafisten.

In rund 3000 Fällen haben sich bisher besorgte Angehörige, Freunde und Lehrer mutmaßlicher Islamisten an die Mitarbeiter des nordrhein-westfälischen Präventionsprogramms "Wegweiser" gegen gewaltbereiten Salafismus gewandt. Darunter seien Fälle, die telefonisch oder vor Ort in den Beratungsstellen vorgetragen worden seien, sagte ein Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD): "Manchmal reicht schon ein einfacher Ratschlag am Telefon aus. In anderen Fällen bedarf es aber auch einer intensiven Betreuung."

Neben "Wegweiser" gibt es in NRW noch das "Aussteigerprogramm Islamismus", das beim Verfassungsschutz angedockt ist und sich direkt an die Extremisten richtet. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden befinden sich derzeit rund 50 Dschihadisten in diesem Projekt. "Davon werden 25 Personen intensiv betreut und beraten", erklärte ein Sprecher des Verfassungsschutzes: "Bei der anderen Hälfte wird noch intensiv geprüft, ob der Wille für den Ausstieg wirklich vorhanden ist." Ein Teil der Islamisten werde von den Sicherheitsbörden gezielt in den Gefängnissen angesprochen. "Wir fragen sie direkt in den Justizvollzugsanstalten, ob sie bereit sind, in das Programm aufgenommen zu werden", so der Sprecher. Es gibt aber auch Islamisten außerhalb der Gefängnismauern, die sich freiwillig beim Verfassungsschutz melden. Diese bekommen - wenn es notwendig ist - als Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen dann eine Art neue Identität. "Das heißt, dass sie zur Tarnung etwa in eine andere Stadt umziehen, um nicht von ihren früheren Weggefährten entdeckt zu werden", heißt es aus Sicherheitskreisen.

Trotz dieser Präventionsprogramme hat sich die Zahl der gewaltbereiten Salafisten in Nordrhein-Westfalen innerhalb nur eines Jahres von etwa 320 auf rund 500 erhöht - Tendenz steigend. Eine nicht bekannte Anzahl aus diesem Personenkreis steht unter besonderer Beobachtung der Sicherheitsbehörden. "Seit den Anschlägen in Brüssel haben sich die Überwachungsmaßnahmen gegen diese potenziellen Gefährder noch einmal verschärft", heißt es aus Polizeikreisen. Was das genau bedeutet, hält man aus ermittlungstaktischen Gründen geheim.

NRW gilt seit Jahren bundesweit als Hochburg des Salafismus. Seit 2012 sind aus NRW zudem mindestens 175 Islamisten in die Krisengebiete nach Syrien und in den Irak gereist. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Die Islamisten verteilten sich in NRW auf 40 kleinere, mittlere und größere Zellen, heißt es. Aktiv seien sie besonders im Rheinland und Ruhrgebiet. Zu den Hochburgen zählen Bonn, Bochum, Aachen und der Raum Westfalen, wo vor allem kleinere Zellen aktiv sind. Etwa 20 der landesweit 850 Moscheen stehen derzeit unter Beobachtung der Anti-Terrorfahnder. Denn dort, so vermuten Sicherheitsexperten, verkehren Islamisten und werben neue Anhänger an. Auch Mitglieder der "Lohberger Brigade" aus Dinslaken hatten sich in einer Moschee getroffen, ehe sie sich der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien anschlossen. Die meisten von ihnen kamen ums Leben, andere sitzen in Deutschland in Gefängnissen.

(csh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort