Persönlich Irom Sharmila . . . isst nach 16 Jahren wieder

Zwei Polizistinnen müssen sie stützen, als sie die Treppe zum Gericht hochsteigt - so schwach ist sie. Aus ihrer Nase baumelt der Schlauch mit der Sonde, über die man sie zwangsernährt. 16 Jahre lang hat die Inderin Irom Sharmila alle Nahrung verweigert, um gegen die Militärgewalt in ihrer Heimat Manipur zu protestieren. Als "eiserne Lady von Manipur" avancierte sie zur Ikone des Widerstands. Ihre Anhänger trugen T-Shirts mit ihrem Bild und verehrten sie fast wie eine Göttin.

Nun hat die 44-Jährige den mit 5757 Tagen wohl längsten Hungerstreik der Welt beendet. Gestern um 4.42 Uhr trank sie symbolisch ein wenig Honigwasser. "Ich habe 16 Jahre lang gefastet und nichts bewirkt", sagte sie ernüchtert vor Gericht. Nun wolle sie in die Politik gehen und bei den Landtagswahlen 2017 kandidieren.

Weil der indische Staat eine tote Märtyrerin mehr fürchtete als eine lebende Aktivistin, ließ er Sharmila all die Jahre in einem Hospital in Manipurs Hauptstadt Imphal zwangsernähren. Man warf ihr vor, Suizid begehen zu wollen, was als Straftat gilt. Alle zwei Wochen erneuerte ein Gericht ihre Haft im Krankenzimmer, bis die Richter sie nun auf Kaution freiließen. Sharmila war 28 Jahre alt, als sie Anfang November 2000 zuletzt freiwillig Nahrung zu sich nahm. Damals hatten Soldaten im nordostindischen Manipur zehn Zivilisten getötet. Erbost schwor sie, erst wieder zu essen und zu trinken, wenn das drakonische Antiterrorgesetz AFSPA revidiert wird, das seit 1958 in Manipur gilt und Soldaten faktisch eine "Lizenz zum Töten" gibt.

Über die Jahre wurde Sharmila immer dünner, ihre Stimme schwächer, ihr Haar grauer. Doch ihr Wille blieb eisern - bis sie einen Laptop bekam und darüber im Internet zunehmend lesen konnte, dass ihr Hungerstreik nichts bewirkt. 2011 besuchte zudem der Aktivist Desmond Coutinho, ein indischstämmiger Brite, sie im Hospital. Die beiden verliebten und verlobten sich.

Christine Möllhoff

(RP)
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