Stockholm In Norwegen wird der Weinanbau zum Volkssport

Stockholm · Wenche Hvattum und ihr Ehemann Joar haben sich einen Traum erfüllt, der lange undenkbar war im kalten und dunklen Norwegen: Sie sind inzwischen die nördlichsten Winzer der Welt. Auf ungefähr dem gleichen Breitengrad wie Sibirien und Alaska liegt ihr Weingut Lerkekasa. Früher wurden hier, südwestlich der Hauptstadt Oslo, noch nach alter Manier Äpfel und Gemüse angebaut. 2008 kamen deutsche Winzer zu Besuch und wollten schauen, ob es Möglichkeiten gibt, Wein in Norwegen anzubauen. "Die Deutschen sind dann wieder abgezogen, aber wir behielten deren Idee im Kopf", sagt die 58-jährige Norwegerin. "Das Klima hat sich inzwischen so verändert, und wird sich vermutlich weiter verändern. Jetzt im Dezember haben wir hier plus 10 Grad. Vor 50 Jahren, als ich ein Kind war, war um diese Zeit alles mit Schnee bedeckt und die Temperaturen lagen bei minus zehn bis minus 20 Grad. Man stelle sich das vor", sagt Wenche Hvattum.

Zunächst hatte das Winzerpaar Hvattum 400 Weinstöcke. Inzwischen sind es 1000. "Eigentlich hatten wir 2000, aber die Hälfte ist erfroren"; sagt Wenche Hvattum. Es gebe aber inzwischen immer mehr kälteresistente Sorten. "Wir experimentierten mit unzähligen Sorten und nutzen nun rund 40 unterschiedliche", sagt sie .

Anita Sönsteby ist ebenfalls optimistisch. "Immer mehr Pflanzen überleben nun die norwegischen Winter. Die größte Herausforderung ist es, reife Trauben in dem kurzen norwegischen Sommer und Herbst zu bekommen. Aber ich sehe da Potenzial", sagt die Agrarforscherin. Inzwischen betreiben auch immer mehr norwegische Amateure den Anbau von Weintrauben in ihren privaten Gärten. Es ist zu einer Art Volkssport geworden.

"Wenn wir Ferien machen und vom Weinanbau erzählen, halten die Leute das oft für verrückt", sagt Winzerin Hvattum. Der Klimawandel sei natürlich grundsätzlich eine beunruhigende Sache. "Aber wir machen hier das Beste daraus."

(RP)
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