Berlin Immer mehr Flüchtlinge lassen sich taufen

Berlin · Massentaufen mit bis zu 100 Asylbewerbern - seit Jahresbeginn häufen sich derartige Berichte. Besonders in Hamburg werden von iranisch-christlichen Gemeinden ganze Schwimmbäder dafür angemietet. Und auch der See im dortigen Stadtpark musste bereits als überdimensionales Taufbecken herhalten. Fließbandarbeit im Namen Gottes.

Derweil registrieren auch die katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen ein gesteigertes Taufinteresse bei Flüchtlingen. Konkrete Zahlen können beide zwar nicht nennen, der Aufenthaltsstatus eines Taufinteressenten werde nicht erfasst, heißt es. Eine Umfrage unserer Redaktion bei sämtlichen 27 katholischen Bistümern und 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik hat aber ergeben: Schätzungsweise etwa 1200 Asylbewerber, größtenteils aus dem Iran und Afghanistan, haben sich in diesem Jahr mit einem Taufbegehren an die jeweiligen Gemeinden gewandt. Zahlen, die Mitarbeiter vor Ort oft vor große - nicht nur sprachliche - Herausforderungen stellen.

Wie Joachim Bundschuh. Der Pfarrer ist Referent für Gemeinde anderer Sprachen und Herkunft am "Zentrum Oekumene" der hessischen Landeskirchen in Frankfurt am Main. Er kennt die vielfältigen Anliegen der Asylbewerber. "Es sind viele darunter, die schon im Iran im Untergrund als Christen gelebt haben und hier ihren Glauben endlich frei ausleben können. Andere wiederum haben einen repressiven Islam erlebt und möchten damit brechen." Und auch die erlebte Freundlichkeit bei ihrer Aufnahme in Deutschland sei für viele ein ausschlaggebender Punkt, heißt es vonseiten des Bistums Essen.

Doch es gibt auch Anwärter mit deutlich pragmatischeren Motiven. Mancher Asylbewerber erhofft sich durch die Taufe nämlich einen positiven Effekt auf seinen Asylantrag. Der Glaubensübertritt soll eine Abschiebung verhindern, da als gläubiger Christ im Heimatland Leib und Leben in Gefahr wären. Diese Fälle sind nach Auskunft der Kirchen zwar in der klaren Minderheit - aber es gibt sie. Daher hat beispielsweise das Bistum Aachen eine Handreichung mit Handlungsempfehlungen herausgegeben. Diese gelten in den meisten katholischen Bistümern als Leitfaden für die Mitarbeiter an der Basis. Fast gleichlautend sind die Vorgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Aktiven in den Landeskirchen.

Grundsätzliche Praxis: Jeder Taufinteressent muss in bis zu einjährigen Kursen seine Motive darlegen, die Biografien der Asylbewerber werden genauestens beleuchtet. Unter anderem sollte "der neue Glaube auf dem alten aufbauen", heißt es etwa im Aachener Papier. Zudem werde bereits eingangs darauf hingewiesen, dass eine Taufe nicht automatisch zu einem positiven Asylbescheid führt. Für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt sie nämlich einen "selbst geschaffenen Nachfluchtgrund" dar. Demnach muss der Glaubensübertritt eine Folgehandlung einer bereits "im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung" sein. Sprich: Der Asylbewerber muss glaubhaft darlegen, dass er bereits vor seiner Flucht Christ sein wollte. Erst dann kommt es auch zur Schutzgewährung.

Dennoch sei es "nicht immer leicht herauszufinden, ob eine Person aus dem Grunde, hier Asyl zu bekommen, eine Konversion in Erwägung zieht", sagt Timo Güzelmansur. Er ist Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle, die direkt der Deutschen Bischofskonferenz unterstellt ist. "Eine intensive Taufvorbereitung ist daher umso wichtiger."

Schließlich gehe es nicht darum, wie in Hamburg "vom Anmelden im Pfarrbüro direkt ans Taufbecken" zu gehen, wie es Robert Eberle vom Erzbistum Freiburg ausdrückt. Andererseits müsse dies auch umgekehrt gelten, betont Joachim Bundschuh: "Eine Taufentscheidung muss aus dem innersten Herzen kommen und nicht vorschnell abgehandelt werden. Daher laufen wir auch nicht herum und christianisieren Muslime."

(p-m)
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