Berlin Immer mehr Bundesländer wollen zurück zu G9

Berlin · Drei Viertel der Abiturienten in diesem Jahr gingen insgesamt nur zwölf Jahre zur Schule. Ein Trendwechsel zurück zu G9 deutet sich an.

Drei Viertel der Abiturienten bundesweit haben in diesem Jahr ihr Abitur nach zwölf Schuljahren abgelegt. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion bei allen Bundesländern. 14 von 16 Ländern lieferten vergleichbare Daten. Damit hat sich das Abitur nach zwölf Jahren (G8) bundesweit faktisch durchgesetzt. Doch es gibt Ausnahmen: Rheinland-Pfalz hat sein Schulsystem nie umgestellt. Niedersachsen kehrt zum beginnenden Schuljahr zum alten System zurück, in Hessen gewinnt G9 wieder an Beliebtheit.

Die absoluten Zahlen aus den 14 Ländern: 2016 erlangten deutschlandweit rund 315.000 Abiturienten ihre allgemeine Hochschulreife bereits nach zwölf Schuljahren, nur etwa 117.000 Abiturienten erhielten die Hochschulreife nach 13 Schuljahren.

Eine Debatte um die Schulzeit für Abiturienten gibt es seit der Wiedervereinigung. Thüringen und Sachsen blieben nach der Wende beim zwölfjährigen Abitur. Die übrigen Bundesländer führten es im vergangenen Jahrzehnt ein. Die Reform ist bis heute hoch umstritten. Aktuell können Eltern und Schüler in den meisten Bundesländern zwischen Abitur nach acht oder neun Schuljahren auf der weiterführenden Schule wählen. In der Regel besuchen G8-Schüler ein Gymnasium, während G9 an Gesamtschulen angeboten wird. Da sich die meisten Eltern für ein Gymnasium entscheiden, hat sich das G8-System durchsetzen können. "Es ist bei Eltern und Schülern einfach teilweise eine Gewöhnung an G8 eingetreten", meint Ilka Hoffmann vom Hauptvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW.

Ein Trendwechsel deutet sich allerdings an. 2015 starteten in Hessen mehr Fünftklässler an einer G9-Schule als an G8-Schulen, wo bereits nach acht Jahren das Abitur abgelegt wird. Niedersachsen beschloss im vergangenen Jahr sogar die komplette Rückkehr zum G9-System, was in diesem Schuljahr umgesetzt wird. Nach Klagen der Lehrer, Eltern und Schüler, wonach durch G8 der Stress zu- und die Qualität der Lehre abgenommen habe, sei die Rückkehr zu G9 die logische Konsequenz gewesen, heißt es aus dem niedersächsischen Schulministerium.

Auch die Zugangszahlen zu Gymnasien und Gesamtschulen belegen diese Trendwende. Von den Anfängern an weiterführenden Schulen starten nur noch 64 Prozent in einer Schulform, die das zwölfjährige Abitur vorsieht. Damit wird im Vergleich zu heute künftig ein kleinerer Anteil an Schülern das verkürzte Abitur machen. In absoluten Zahlen: Aus 14 Bundesländern wechselten 206.000 Schüler zu einer G8-Schule. 112.000 Kinder gingen ins G9-System.

Diskussionen dieser Art könnten durch die Entscheidung in Niedersachsen nun auch in NRW wieder aufflammen, vermutet Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW. "70 bis 80 Prozent der Eltern möchten eigentlich eine Rückkehr zu G9. Sie erkennen keinen Sinn im zwölfjährigen Abitur. Da kann ich den Eltern noch nicht einmal widersprechen, denn es gibt kein pädagogisches Argument dafür." Warum es in NRW dann dennoch so wenige G9-Abiturienten gibt? "Es herrscht die Angst einer Mittelschicht, dass ihre Kinder später einmal weniger Aufstiegsmöglichkeiten haben, wenn sie nicht an einem Gymnasium Abi machen." Nach G9 wird in NRW bis auf wenige Ausnahmen nur an Gesamtschulen gelernt.

(p-m)
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