Volker Kauder (cdu) "Ich erwarte Respekt in der Union"

Der Unionsfraktionschef spricht über die Umgangsformen der CSU, den Kampf gegen den Terror und die Reduzierung der Flüchtlingszahlen.

Herr Kauder, Sie haben im Bundestag bei der Rede des Linken-Fraktionschefs Dietmar Bartsch geklatscht. War das ein Versehen?

Kauder Herr Bartsch hat eine bekannte Bibelstelle zitiert, die sagt, dass man denen, die in Bedrängnis sind, helfen muss. Diese Aussage ist auch für mich sehr wichtig. Er hat die Passage aber mit gewissen Hintergedanken zitiert. Da musste ich ihn auf eine bedeutende Stelle im Matthäus-Evangelium hinweisen. Dort heißt es sinngemäß: Zeige nicht auf den Splitter im Auge deines Bruders, sondern achte vielmehr auf den Balken in deinem eigenen Auge. Denn die Linke ist sich in der Flüchtlingspolitik gar nicht so einig, wie Herr Bartsch versucht hat, dies darzustellen.

Ist CSU-Chef Seehofer am vergangenen Wochenende zu weit gegangen, als er der Kanzlerin auf offener Bühne die Leviten gelesen hat?

Kauder Ich würde so etwas nicht machen. Ich finde, dass wir unter Schwesterparteien respektvoll miteinander umgehen müssen - gerade wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben.

Werden Sie Herrn Seehofer beim CDU-Parteitag mit der unter Bürgerlichen üblichen Höflichkeit empfangen?

Kauder Wir diskutieren gerade ja viel über Werte und Umgangsformen, die in einer Gesellschaft beachtet werden sollten. Da gehören Respekt und Höflichkeit sicher dazu. Ich denke, dass der CDU-Parteitag das auch gegenüber allen seinen Gästen zeigen wird.

Wird beim EU-Türkei-Gipfel ein Durchbruch gelingen, der den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und nach Deutschland reduziert?

Kauder Nach dem Abschuss des russischen Flugzeugs habe ich mir Sorgen gemacht, dass eine Lösung schwieriger wird. Zum Glück sind beide Seiten offenbar grundsätzlich interessiert, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Hoffentlich wird diese Absicht auch beiderseits verwirklicht. Unabhängig davon hat der türkische Präsident erklärt, dass die Türkei die Kontrollen an ihren Außengrenzen ernst nimmt und dass er den Schleppern das Handwerk legen will.

Werden am Ende vor allem die Deutschen für Vereinbarungen mit der Türkei zahlen müssen?

Kauder Es kann nicht darum gehen, immer nur Deutschland die Verantwortung zuzuschieben. Europa muss handeln. Europa muss sich in der Flüchtlingskrise endlich solidarisch verhalten. Es geht nicht, dass die meisten der anderen Staaten sagen, wir nehmen keine Flüchtlinge auf und zugleich auch nichts zur Verbesserung der humanitären Lage in den Flüchtlingslagern tun wollen. Europa ist eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit. Diesen Gedanken sollte auch die EU-Kommission noch deutlicher betonen. Wenn diese Idee sich nicht endlich wieder mehr durchsetzt, wird dieses Europa schweren Schaden nehmen. Den Schaden werden alle Europäer davontragen. Alle EU-Staaten brauchen dieses gemeinsame Europa, schon um den Wohlstand zu sichern. Und noch etwas zu den Geldern für die Flüchtlingslager: Die Summen werden auf jeden Fall geringer ausfallen als das, was aufgewendet werden müsste, wenn die Menschen alle nach Europa kommen.

Sie sagen, die Bewältigung der Flüchtlingskrise brauche Zeit . . .

Kauder Der Kölner Dom hat auch Jahrhunderte gebraucht, habe ich etwas ironisch im Bundestag gesagt.

Während des Dombaus kamen aber nicht Hunderttausende nach Köln.

Kauder Ich will doch nur eines sagen: Manche Dinge brauchen trotz der Größe der Herausforderung Zeit. Wir brauchen Geduld bei der Lösung der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin arbeitet hart an Lösungen.

Es stellt sich trotzdem die Frage: Wie lange schaffen wir das noch?

Kauder Wir sind dabei, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren, auch damit die, die schon bei uns sind, vernünftig integriert werden können. Dabei fahren wir ein Stück weit auf Sicht und versuchen Schritt für Schritt, die Probleme immer besser in den Griff zu bekommen. Das fängt bei der Beschleunigung der Verfahren an und hört beim Eintreten für eine Friedenslösung für Syrien auf.

Warum können Sie sich in der Koalition nicht auf das zweite Asylpaket einigen?

Kauder Die SPD hat nach dem Konsens der drei Parteivorsitzenden nachgelegt. So kann nicht gearbeitet werden. Die zusätzlichen Forderungen der SPD werden von uns nicht akzeptiert.

Wird sich durch das verstärkte Engagement der Deutschen im Kampf gegen den IS auch die Sicherheitslage in Deutschland verschärfen?

Kauder Auch der Terror der RAF ist dadurch besiegt worden, dass der Staat sich entschlossen gewehrt hat. Wir dürfen nicht aus Angst vor dem IS unsere Prinzipien und Werte aufgeben. Auch wenn wir nicht bereit sind, uns zu wehren, wird uns der IS nicht verschonen. Ich bin sicher, dass es uns gelingen wird, den Terror zu besiegen.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort