Analyse Homo-Ehe – Streit ums Kindeswohl

Düsseldorf · Die Befürworter der Freigabe des Fremd-Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Partner zitieren oft eine Studie von 2009. Sie wird nicht nur vom Deutschen Familienverband stark infrage gestellt.

Herta Däubler-Gmelin (1998–2002), Brigitte Zypries (2002–2009), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (seit 2009) – drei Bundesministerinnen der Justiz, drei dezidierte Meinungen zum (noch verbotenen) Fremd-Adoptionsrecht in eingetragenen homosexuellen Lebenspartnerschaften: Däubler-Gmelin war strikt dagegen, ihre Nachfolgerinnen waren beziehungsweise sind vehement dafür.

Die liberale Rechtspolitikerin und Sozialdemokratin Däubler-Gmelin, in deren Amtszeit 2001 das Rechtsinstitut "Eingetragene Lebenspartnerschaft" beschlossen wurde, versicherte stets, dass sie bei aller Bereitschaft zur weitgehenden rechtlichen Gleichstellung von Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnerschaften ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ablehne.

Die Wende kam mit der linksliberalen Sozialdemokratin Zypries. Sie gab bei der Universität Bamberg und dem Bayerischen Staatsinstitut für Frühpädagogik in München eine bundesweite Studie über die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Verbindungen in Auftrag.

2007 und 2008 waren 1059 Eltern in homosexuellen Gemeinschaften (866 davon lebten in eingetragenen Lebenspartnerschaften) befragt worden. Das Resultat lautete: Das Kindeswohl (worauf es bei der Adoption entscheidend ankommt) sei bei einem homosexuell lebenden Frauen- oder Männerpaar ebenso gut gewährleistet wie in einer Familie mit Mutter und Vater. Lesbische Mütter und schwule Väter stünden in ihrer elterlichen Kompetenz heterosexuellen Eltern in nichts nach. Es folgte ein Satz, der besonders aufhorchen ließ: Bei den befragten Kindern fänden sich keinerlei Anhaltspunkte für eine erhöhte Neigung zu Depressionen, im Gegenteil, die Kinder entwickelten sich teilweise sogar besser als Kinder aus anderen Familienformen.

Auf die 2009 veröffentlichte Untersuchung berufen sich SPD, Grüne, FDP sowie Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), wenn sie das volle Adoptionsrecht für Paare in eingetragenen Partnerschaften fordern.

Neben den 1059 homosexuellen Erwachsenen wurden seinerzeit 95 Kinder und Jugendliche (Durchschnittsalter: 14) zu zentralen Aspekten ihrer Entwicklung telefonisch befragt. Hier setzt die Kritik an der Studie an. Sowohl der Deutsche Familienverband als auch das Institut für Jugend und Gesellschaft bemängeln, dass die befragten Kinder und Jugendlichen von ihren homosexuellen Eltern ausgewählt worden seien. 78 Prozent stammten aus einer früheren heterosexuellen Verbindung und hatten durchweg ihre ersten fünf Lebensjahre gemeinsam mit Mutter und Vater verbracht. Christl Ruth Vonholdt, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin beim Institut für Jugend und Gesellschaft, wendet ein, dass die meisten befragten Kinder ihre leiblichen Eltern kannten. Die Stichproben seien somit nicht übertragbar auf Adoptivkinder, die von Geburt an bei einem fremden, homosexuellen Frauen- oder Männerpaar aufwüchsen. Die Studie berücksichtige nicht, dass diese Kinder nie die männlich-weibliche Doppelstruktur als Grundlage für ihr eigenes Leben erfahren würden. Vonholdt: "Wer aber bei einem vollen Adoptionsrecht Kindern von Geburt an vermittelt, sie hätten wirklich ,zwei Väter' oder ,zwei Mütter', trägt zu erschwerter Identitätsfindung der Adoptivkinder bei."

Siegfried Stresing vom Deutschen Familienverband sprach von einer "dubiosen" Studie, die nicht dem Anspruch wissenschaftlicher Neutralität genüge. Im "Spiegel" wurde zuletzt ein Artikel einer internationalen Fachzeitschrift zitiert, wonach Studien wie diejenige von 2009 auf mehrdeutigen Daten beruhten, oft kurzfristig erhoben seien und zudem meist von homosexuell veranlagten Forschern stammten.

Das Bundesverfassungsgericht und die Bundesjustizministerin zeigen sich von Einwänden unbeeindruckt. Die FDP-Ministerin meinte gestern, der Schritt hin zum Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare sei überfällig. Das Kindeswohl werde nicht beeinträchtigt, wenn sich liebevoll zwei Menschen um das Kind kümmerten, und das sei unabhängig von der geschlechtlichen Orientierung.

Der Familienverband hingegen hat den Verdacht, dass als letzte rechtliche Hürde nach der weitgehenden Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft nun auch das Fremd-Adoptionsverbot fallen soll. Man schaffe es nicht, zwischen den Selbstverwirklichungs-Bedürfnissen adoptionswilliger Schwuler und Lesben und Adoptivkindern zu trennen. Sollte das Bundesverfassungsgericht, bei dem zwei Verfahren zur sogenannten konkreten Normenkontrolle anhängig sind, das Fremd-Adoptionsverbot für homosexuelle Paare aufheben, hofft der Familienverband auf die Jugendämter und deren Pflicht, eine Adoptionsentscheidung ausschließlich am Kindeswohl zu orientieren. Siegfrid Stresing ("Wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diejenigen zu vertreten, die sich nicht wehren können") beschleicht auch hier ein Verdacht: So wie sich Verfassungsrichter bei ihren Entscheidungen von modischen Zeitströmen beeinflussen ließen, so könnte dies künftig auch Jugendamts-Mitarbeitern passieren.

Wo die juristische Reise hingehen wird, hat der ehemalige (konservative) Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, schnörkellos ausgedrückt: "Die Würfel sind gefallen." Durch die 2001 eingeführte Möglichkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei eine Privilegierung der Ehe rechtlich nicht mehr zu halten. Im Einklang mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sagte Papier, eine Unterscheidung nach der sexuellen Orientierung sei grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig.

(RP)
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