Analyse Hochschulgesetz: Viel Lärm um nichts

Düsseldorf · Das Hochschulzukunftsgesetz sollte NRW als Lehr- und Forschungsstandort stärken und wettbewerbsfähiger machen. Zwei Jahre nach seiner Einführung ist davon aber wenig zu spüren.

Verlust der Hochschulautonomie, Abwanderung von Wissenschaftlern und Finanzmitteln, Gängelung der Hochschulen durch das Ministerium - kurzum eine massive Schädigung des Forschungsstandortes Nordrhein-Westfalen. Das alles drohte, glaubt man den Kritikern, durch das neue Hochschulzukunftsgesetz (HZG). Der 11. September 2014, an dem der Landtag mit rot-grüner Mehrheit das neue Gesetz beschloss, schien zum schwarzen Tag der Hochschulstandorte in NRW zu werden. Zumindest zeichneten die Universitäten, die Opposition sowie einige Unternehmer- und Studentenverbände dieses Bild. Selten übte die Landesrektorenkonferenz (LRK) so deutlich Kritik am zuständigen Wissenschaftsministerium.

Verständlich, denn der Plan von Ministerin Svenja Schulze (SPD) sah deutliche Einschnitte in die Selbstverwaltung der Hochschulen vor. Von einem Rückschritt ins vergangene Jahrtausend war die Rede. Unter anderem sollten Forschungsergebnisse, die durch Drittmittel von Unternehmen zustande gekommen waren, veröffentlicht werden. In der Praxis hätte das spürbare Auswirkungen auf die Finanzierung von Hochschulforschung gehabt.

Heute, rund zwei Jahre nach Einführung des Gesetzes, werden von allen Beteiligten sanftere Töne angeschlagen. Das liegt zum einen daran, dass die umstrittensten Passagen des Gesetzes, wie die zur Drittmittel-Veröffentlichung, nach massiven Druck aus der Wirtschaft und seitens der Rektoren erst gar nicht zur Abstimmung in den Landtag gebracht oder deutlich abgeschwächt wurden. Zum anderen, weil sich das Ministerium mit Eingriffen in den Gestaltungsspielraum der Universitäten offenbar zurückgehalten hat. "Eingriffe des Ministeriums in Form von Rahmenvorgaben bewegten sich nur im administrativen Bereich", sagt etwa die Rektorin der Universität Düsseldorf, Anja Steinbeck.

Und auch die Landesrektorenkonferenz scheint ihren Frieden mit dem Gesetz gemacht zu haben. "Aktuell ist das kein großes Thema", heißt es in einer knappen Antwort der LRK auf Anfrage unserer Redaktion. Durch die vielen Anpassungen während des Gesetzgebungsprozesses könnten sich die Hochschulen im gesteckten Rahmen gut bewegen. Im Fokus der Hochschulleitungen stand besonders der Erhalt von Autonomie und Flexibilität, wie es das von Schwarz-Gelb initiierte "Hochschulfreiheitsgesetz" vorsah. Dies hat laut LRK zu einer erheblichen Wettbewerbssteigerung der NRW-Hochschulen geführt.

Zwischen den Zeilen wird aber deutlich, dass die Rektoren das HZG wohl für weniger zukunftsweisend halten, als sein Name verspricht. "Die Änderungen im Alltag sind eher gering", sagt Steinbeck mit Blick auf die vergangenen zwei Jahre. "Die zentralen Probleme der Hochschulen werden vom HZG kaum berührt, so dass dessen Änderung für die Zukunft der Universitäten weniger Relevanz hat, als gemeinhin angenommen."

Auch die Studentenvertretungen hatten sich von dem Gesetz mehr erhofft. So zum Beispiel an der Universität zu Köln. Die größte Veränderung, die das Hochschulzukunftsgesetz für Studenten gebracht habe, sei die Abschaffung der Anwesenheitspflicht bei Veranstaltungen, sagt Laszlo Kelemen vom Allgemeinen-Studierenden-Ausschuss (AStA). Mehr habe es nicht bewirkt.

Verpuffen also die Neuerungen des Hochschulzukunftsgesetzes? Ist es gegenüber dem Vorgängergesetz gar ein Rückschritt? Nein, sagt das NRW-Wissenschaftsministerium. "Nordrhein-Westfalen ist mit dem neuen Hochschulzukunftsgesetz in einer starken Position", heißt es auf Anfrage in einer Stellungnahme des Ministeriums. Nie zuvor sei so viel in Lehre und Forschung investiert worden wie im Jahr 2016 - immerhin 8,28 Milliarden Euro. 2017 werden es noch mal 170 Millionen mehr sein. Trotz dieser Rekordsumme und zusätzlicher Bundesmittel aus dem Hochschulpakt kämpfen die Universitäten mit großen Problemen. Denn sie ächzen unter dem Ansturm der Studenten. Rund 755.000 sind in diesem Wintersemester eingeschrieben.

Auf das HZG ist beides allerdings nicht zurückzuführen. Es beschränkt sich bislang auf die Neuregelung in Teilbereichen, wie der Besetzung von Hochschulgremien, und droht das große Ganze aus dem Blick zu verlieren. "Die positive Entwicklung wird gefährdet durch die marode bauliche Infrastruktur und die sich ausweitende zeitliche Befristung von Projektmitteln", sagt Anja Steinbeck. Auch einen weiteren Punkt, den das Ministerium als Erfolg des Gesetzes verbucht, sehen die Hochschulen mit gemischten Gefühlen. Im Zuge des sogenannten "Rahmenkodex zu guten Beschäftigungsbedingungen" ist unter anderem der Abbau von befristeten Verträgen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen festgeschrieben. Diese Vereinbarung habe laut Steinbeck Missstände aufgegriffen und zu Verbesserungen geführt. Die Umsetzung verursache allerdings sehr viel Arbeit bei Wissenschaftlern und in der Verwaltung.

Die Landesregierung hat Mängel in der Wissenschaftspolitik inzwischen erkannt und ist bemüht gegenzusteuern. So wurde kürzlich ein Landeshochschulentwicklungsplan verabschiedet, der wichtige Themen, wie eine Profilbildung der Hochschulen, wettbewerbsfähige Forschung und Digitalisierung der Lehre aufgreift. Zudem wird heute eine Vereinbarung unterzeichnet, die den Hochschulen finanzielle Planungssicherheit bis ins Jahr 2021 bietet. Nach zwei Jahren aber wird das Hochschulzukunftsgesetz seinem Namen nicht gerecht. Das Land muss sicherstellen, dass in NRW Spitzenforschung und qualitativ hochwertige Lehre weiter möglich sind; dafür bedarf es dauerhaft mehr Geld und Personal, bessere Ausstattung und kleinere Vorlesungs- und Kursgrößen.

(maxk)
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