Gelsenkirchen Gabriel sucht den Schulterschluss

Gelsenkirchen · Die SPD stimmt sich auf die Wahlen im nächsten Jahr ein und demonstriert Einigkeit in Gelsenkirchen.

Am Hauptbahnhof in Gelsenkirchen stehen die Becher für Trinkgeld an der Ladentheke hinter der Glasscheibe. Zu oft kommt es vor, dass Passanten das Kleingeld mitgehen lassen. Viele hier sind arm, die Arbeitslosenquote liegt bei über zwölf Prozent. Und demnächst suchen auch Flüchtlinge einen Job.

Einen guten Kilometer vom Bahnhof entfernt tagt die SPD, es geht genau darum, um die Integration der Flüchtlinge. Minister, Landtagsabgeordnete, Oberbürgermeister und der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel sind zu den traditionellen Gelsenkirchener Gesprächen der Partei gekommen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fehlt, sie ist noch an einer Lungenentzündung erkrankt.

Bis zu den Wahlen ist es nur noch ein gutes Jahr - im Frühjahr 2017 wird in NRW gewählt, im Herbst 2017 der Bundestag. Es wird also langsam Zeit, die Strategien abzustimmen.

In Gelsenkirchen demonstrieren die Genossen Einigkeit: Der Integrationsplan, den die NRW-SPD angestoßen hat, könnte erweitert und in Gabriels Sinne bundesweit ausgerollt werden, sagt Norbert Römer, SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag: "Der Plan ist ein gutes Beispiel für Größeres. Wir brauchen ein Integrationspaket, eingebettet in ein Solidarprojekt, wie Sigmar Gabriel das will."

Und der Vizekanzler pflichtet bei: "Mit Blick auf 2017 wäre das eine neue Idee." Er bekräftigt bei der Gelegenheit seinen Vorschlag eines Solidarpakts für Deutschland. Insgesamt eine Milliarde Euro fordert die SPD zusätzlich, etwa für Kitas, Schulsozialarbeit, Initiativen gegen Langzeitarbeitslosigkeit, den Bau neuer Sozialwohnungen und die Innere Sicherheit - und zwar für Flüchtlinge und für Einheimische. Viel Kritik von der Opposition hatte Gabriel dafür in den vergangenen Tagen einstecken müssen. Der SPD-Chef schüre mit seinen Äußerungen bei den Menschen erst den Sozialneid, wegen der Flüchtlingshilfe selbst zu kurz zu kommen, hieß es bei der Union.

Doch Gabriel lässt sich nicht beirren: Wenn ein Schwimmbad geschlossen werden müsse, weil das Geld für Flüchtlinge gebraucht werde, entstehe sogleich der soziale Brandsatz, der Parteien wie der AfD Auftrieb gebe, sagt er in Gelsenkirchen. "Was die Leute umtreibt und zur AfD treibt, ist Unsicherheit", meint der Bundeswirtschaftsminister, "in Wahrheit geht es darum, Sozialneid zu verhindern." Es stehe eine doppelte Integrationsaufgabe bevor: "Die zu integrieren, die kommen, aber auch die beieinander zu halten, die da sind."

Auch in der Frage der Finanzierung eines solchen Solidarpakts sind sich Römer und Gabriel einig: Der Bund müsse sich stärker engagieren, Spielräume im Bundeshaushalt gebe es. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betreibe eine investitionsfeindliche, neoliberale Finanzpolitik. Deutlicher wird NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans: "Eine schwarze Null heißt, wir schaffen den Staat ab." Der Hang zur Harmonie ist groß bei der SPD an diesem Samstag, eine Woche vor den Wahlen in drei Bundesländern. So stellt NRW-Sozialminister Rainer Schmeltzer schleunigst klar, dass er Gabriel nicht widersprechen, ihn vielmehr habe unterstützen wollen. Schmeltzer hatte im Landtag gesagt, "keinem Einheimischen geht etwas verloren, wenn wir Flüchtlingen helfen".

Und NRW-Bauminister Michael Groschek ruft schon einmal vorsorglich dazu auf, Gabriel den Rücken zu stärken. Auch für den Fall, dass die SPD in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg nächsten Sonntag schlechter abschneidet als erwartet: "Wir wollen mit Dir, Sigmar, in den Bundestagswahlkampf ziehen."

(RP)
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