Franz Josef Strauß wäre 100 Jahre alt geworden Eine politische Urgewalt

Düsseldorf · Vor 100 Jahren wurde Franz Josef Strauß geboren. In Bayern daheim, in Deutschland umstritten, in der Welt zu Hause. Ein Portrait

Das Leben des Franz Josef Strauß
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Was die schiere Intelligenz betrifft, war Franz Josef Strauß die Hochbegabung schlechthin unter den deutschen Politikern des vergangenen Jahrhunderts: jahrgangsbester Abiturient in Bayern, als Kind einfacher Schwabinger Metzgerleute dank priesterlicher Förderung Ausnahme-Stipendiat des Münchner Maximilianeums, Altphilologe, Historiker, technik-begeisterter Pilot, als Endvierziger auf ökonomischem Fortbildungstrip in Innsbruck. Seine Sprachgewalt und sein quicker Verstand beeindruckten Freund und Feind. Feinde hatte er mehr als echte Freunde. Das erklärt, warum dieser Homo politicus maximus, der am 6. September 100 Jahre alt würde, nie das Amt bekleidete, das er als das einzig ihm angemessene betrachtete: das des Bundeskanzlers.

1980 trat Strauß für die CDU/CSU gegen Amtsinhaber Helmut Schmidt von der SPD an und unterlag. In Bayern wurde er verehrt als ungekrönter König der Bierzeltrede, als gebildeter Analytiker, als menschlicher Vulkan mit Lava-Strömen an Wortwitz, Welterklärung und Herabwürdigung von CDU-Granden wie Helmut Kohl sowie Linken und Liberalen, die er unter die politischen Pygmäen sortierte. Nicht selten ging Strauß vor allem nach Bier- und Weingenuss rhetorisch aus dem Leim. Dann wirkte er ungezügelt, gleichsam wie ein Rennauto mit Kleinwagen-Bremsen.

Die wichtigsten Politiker Deutschlands
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Bundesweit galt er seinen Gegnern als ein Raufbold und barocker Typ aus den Voralpen - außerhalb Bayerns schwer vermittelbar. Und noch etwas umwehte die Person des großen "FJS", nach dem der Flughafen München benannt ist: eine Anfälligkeit fürs Geben und Nehmen. Der "Lateiner" Strauß hätte wohl "do ut des" - "Ich gebe, damit du gibst" - gesagt. Wahr ist auch: Strauß setzte als Bayerns Regierungschef das internationale Luftdrehkreuz vor den Toren seiner Vaterstadt München gegen starke Widerstände durch. Heute ist der Airport der zweitgrößte im Land und eine gewaltige Job-Maschine.

Dem Urkanzler Konrad Adenauer, der 1962 seinen Verteidigungsminister Strauß die Suppe der "Spiegel"-Affäre allein auslöffeln ließ, entfuhr einmal der rheinische Stoßseufzer über sein bestes Pferd im Kabinetts-Stall: "Wem so de Affären nachlaufen wie dem Herrn Strauß, dat kommt nich' von unjefähr." Wie alle Bedeutenden war Strauß ein Mensch in seinem Widerspruch: hoch intelligent, aber mitunter wenig klug bei der Auswahl seiner Spezl'n. Diese gingen für ihn durch dick und dünn, führten ihn aber auch in die Nähe von Sümpfen oder gar mitten hinein.

Eine neue Biografie von Peter Siebenmorgen über den am 3. Oktober 1988 infolge multiplen Organversagens verstorbenen Strauß erhellt eine unrühmliche Facette dieses prallen Lebens: die enge Verbindung zur Industrie, vornehmlich zu den Zukunfts-Branchen der Luft- und Raumfahrt. Die Nähe nutzte dem Freistaat Bayern, dessen Weg vom ärmlichen Agrarstaat zum ökonomischen Primus vom CSU-Boss und Ministerpräsidenten maßgeblich gepflastert wurde. Die Nähe nutzte ausweislich eines heiklen Aktenordners, der Geldüberweisungen belegt, dem Ehepaar Franz Josef und Marianne Strauß. Wer es gut meint mit dem in weiten Teilen Bayerns wie eine Ikone Verehrten, sagt bayerisch-entschuldigend: "A Hund war er scho', der Franz Josef." Andere reagieren noch posthum unnachsichtig auf dessen verdächtig gesunden Erwerbssinn. Die CSU, bei der keine größere Zusammenkunft ohne FJS-Zitate auskommt, schert sich keinen Deut um die Aktenlage: Zwei Tage vor dem "100." gibt es Strauß zu Ehren einen Empfang der Hanns-Seidel-Stiftung in der Münchner Residenz. Am 6. September folgen Gottesdienst und Kranzniederlegung an der Gruft in Rott am Inn mit anschließender Wirtshaus-Sause. Am 10. September rundet sich der Gedenkkreis bei der CSU-Landesgruppe in Berlin.

So ausgiebig wurde FJS von seinen Fans schon zum "70." geehrt. München erlebte eine Festwoche. Beim Requiem vor 27 Jahren sagte der bayerische Kurienkardinal Joseph Ratzinger über den Hingeschiedenen: "Wie eine Eiche ist er vor uns gestanden . . . und wie eine Eiche ist er gefällt worden." Strauß war, fast könnte man behaupten: standesgemäß, am 1. Oktober 1988 bei einem Jagdvergnügen des Fürsten von Thurn und Taxis zusammengebrochen und in einer Regensburger Klinik nicht mehr aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Am 3. Oktober 1988, mittags, trat der Tod ein. Sein publizistischer Lebens-Feind Rudolf Augstein vom "Spiegel", wie Strauß ein Freund des Alkohols und der Frauen, resümierte: "Ich glaube, er hat sein Leben gut gelebt. Und er hat sich um Deutschland verdient gemacht."

Szenen aus "Die Spiegel-Affäre"
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Als Bundestags-Redner mit Witz, Verstand und Temperament ragte Strauß heraus. Manchmal schien es, als sei ihm die Welt in Bonn und München nicht genug. Er reiste zu Mao nach Peking und, eine kleine Maschine durch Schneegestöber steuernd, 1987 zu Michail Gorbatschow nach Moskau - anscheinend als Gleicher unter Gleichen über den deutschen Tellerrand blickend. Legendär war Strauß' Flexibilität, die er nach Bismarcks Art skizzierte: Man müsse als Politiker seine Prinzipien so hoch hängen, dass sich bequem darunter hergehen lasse. So überraschte er 1987 als "Einfädler" des berüchtigten Bonner Milliarden-Kredits an die sieche DDR. Geld gegen menschliche Erleichterungen - so lautete Strauß' Devise im Umgang mit Ost-Berlin. Der Antikommunist als Pragmatiker.

Strauß, mit dessen Namen das europäische Erfolgsprojekt "Airbus" verbunden bleibt, verkörperte für die von ihm gerne bespöttelten "Nordlichter" den Bajuwaren wie aus dem Bilderbuch. Noch heute wird er persifliert. Von dem sowohl rustikal als auch geistreich auftretenden Berserker der Politik ging Faszination aus. Wer sich in Strauß' Gegenwart, sei es als Mann oder erst recht als Frau, langweilte, dem war nicht zu helfen.

(mc)
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