Paris Frankreichs Wutbürger in Uniform

Paris · Von Paris bis Nizza protestieren täglich Polizisten gegen ihre Arbeitsüberlastung. Dabei mischt offenbar auch der rechtsextreme FN mit.

"Angriffe auf Polizisten - Bürger in Gefahr" steht weiß auf schwarz auf dem meterlangen Spruchband, das mehrere Männer auf dem Pariser Platz der Republik hochhalten. Seit zehn Tagen gehen Frankreichs Polizisten überall im Land auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Es ist ihre Reaktion auf einen brutalen Angriff, bei dem zwei ihrer Kollegen schwer verletzt wurden. In der Pariser Problemvorstadt La Grande Borne hatten rund 20 vermummte Kriminelle Anfang Oktober Brandsätze auf zwei Polizeiautos geworfen und die Beamten vorübergehend daran gehindert, ihre Fahrzeuge zu verlassen. Die Täter entkamen.

Der Angriff fachte die Wut der "Flics" an, die seit den Anschlägen im vergangenen Jahr ohnehin an der Belastungsgrenze sind. Schlechte Ausrüstung und Personalknappheit machen den Beamten zusätzlich zu schaffen. Täglich versammeln sich deshalb mehrere Hundert zum stummen Protest.

In verschiedenen Städten kommen sie teils nachts zusammen, um gegen ihre Arbeitsüberlastung zu protestieren. Sie trugen dabei Plakate mit der Aufschrift "Eure Sicherheit hat einen Preis". Zu Beginn waren sie auch mit Polizeiautos, unter Blaulicht und in Uniform auf die Straße gegangen, was breite Kritik ausgelöst hatte - sogar vonseiten ihrer Gewerkschaft. So könne man als Polizist nicht demonstrieren, hieß es. Eine der Nachtkundgebungen fand vergangene Woche mit Dutzenden Streifenwagen und Polizeimotorrädern auf der Pariser Prachtstraße Champs-Élysées statt - ungenehmigt.

"Wir haben genug von schönen Worten. Wir wollen Anerkennung und Mittel, um unsere Arbeit zu machen", sagte ein Demonstrant im Fernsehen. Nichtorganisierte Beamte waren es, die vor zehn Tagen zuerst spontan ihre Wut zeigten. Die Gewerkschaften, denen rund die Hälfte der Polizisten angehören, klinkten sich erst später ein. Das Ergebnis sind nun zwei parallele Protestbewegungen, die im Prinzip dasselbe verlangen. Was genau das ist, sollte gestern Abend auch Präsident François Hollande erfahren, mit dem die Gewerkschafter einen Termin im Elysée-Palast hatten.

Schon vor der Begegnung allerdings war klar, dass die französische Regierung mehrere Hundert Millionen Euro bereitstellen wird, um die Polizisten zu beruhigen. Mit dem Geld soll die Polizei, die sich über altersschwache Fahrzeuge und schlechtes Material beschwert, besser ausgestattet werden. Rund 20 Millionen sollen in die Renovierung der maroden Kommissariate fließen, wie "Le Monde" berichtet. Außerdem sollen die Beamten nicht mehr vor Präfekturen und Gerichten Wache stehen, sondern andere Aufgaben wahrnehmen.

Damit lenkt die Regierung ein, nachdem Innenminister Bernard Cazeneuve sich zunächst von den Protesten unbeeindruckt gezeigt hatte. Doch dass ihm die Polizei zu entgleiten drohte, zeigte sich, als Demonstranten Polizeichef Jean-Marc Falcone ausbuhten und lautstark seinen Rücktritt forderten. "Die Polizei ist stärker im Visier als die Verbrecher", kritisierte ein Beamter die Entscheidung Falcones, wegen der Kundgebungen die Polizeiaufsicht einzuschalten. Er und seine Kollegen fordern, Angriffe auf Polizisten strenger zu ahnden und dafür die abgeschafften Mindeststrafen wieder einzuführen.

Laut einer gestern veröffentlichten Umfrage unterstützen 91 Prozent der Franzosen die Polizisten in ihren Anliegen. Besonders hoch ist die Solidarität bei den Wählern des rechtsnationalen Front National (FN), der laut Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis bei den Protesten mitmischt. So präsentierte sich vergangene Woche Rodolphe Schwartz als Sprecher der Bewegung - ein ehemaliger FN-Kandidat für die Kommunalwahlen. Auch die Versammlung der Demonstranten am Montagabend vor der Statue von Jeanne d'Arc in Paris erinnerte an die Partei von Marine Le Pen, die dort jedes Jahr zum 1. Mai ihre traditionelle Kundgebung abhält. Der Anteil der FN-Wähler ist unter den Polizisten besonders hoch: 57 Prozent wollen laut einer Umfrage im kommenden Jahr für Marine Le Pen stimmen.

(RP)
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