Persönlich Frank-Walter Steinmeier . . . wird zum "Flugschreiber"

Flugschreiber werden immer dann wichtig, wenn ein Flugzeug verunglückt ist und die Absturzursache ermittelt werden soll. Ein aktiver Spitzenpolitiker sollte zu diesen Gedanken eigentlich den größtmöglichen Abstand halten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier beschreibt in seinem aktuellen Buch zwar auch seinen Absturz als Kanzlerkandidat von 2009, doch den Buchtitel "Flugschreiber" versteht er mehr als Wortspiel angesichts seiner jährlich über 800 Stunden im Flugzeug, die er mithilfe des Schriftstellers Nicol Ljubic genutzt hat, Persönliches zwischen wichtige Reden zu packen und auf 240 Seiten niederzuschreiben.

Um das Buch hatte es zuvor Wirbel gegeben, als der Verlag mit dem Autor als "künftigem Bundespräsidenten" warb. Die Ankündigung wurde auf Geheiß des Außenministers wieder kassiert. Dennoch liest sich das Buch auf vielen Seiten wie eine Bilanz am Ende einer Amtszeit. Konnte Steinmeier so früh ahnen, dass er im nächsten Februar zum Staatsoberhaupt gewählt werden dürfe?

Wer mehr über den Alltag der fliegenden Spitzenpolitik erfahren möchte, wird im "Flugschreiber" auch Anekdoten finden: dass Steinmeier zwischen anstrengenden Terminen gerne ein Nickerchen ("power nap") einlegt, manchmal nicht mal Zeit für den Zwischenstopp im stillen Örtchen bleibt, die Praxis des Geschenkeaustausches Steinmeier in den Besitz einer Herbie-Hancock-LP mit persönlicher Widmung brachte.

Dramatische Ereignisse und wichtige Durchbrüche schildert der Akteur aus eigener Anschauung, lange bevor Historiker die Einordnung liefern können. So etwa die nächtlichen Verhandlungen in Kiew im Februar 2014. Dazwischen gibt es wichtige Reden zum Nachlesen. Als Höhepunkt zum Schluss: Steinmeiers Versuch Anfang 2015, in Tunis den aufgeklärten Islam zu befördern, ganz bewusst aus christlicher Perspektive. Somit endet das Buch indirekt mit einem Ausblick auf seine Präsidentschaft.

Gregor Mayntz

(RP)
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