Brüssel und Berlin Die Nervosität vor den Flüchtlingsgipfeln wächst

Berlin · Um die Flüchtlingsentwicklung in den Griff zu bekommen, jagt ein Gipfel den nächsten. Am Mittwoch kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zusammen, um einen neuen Anlauf für feste Quoten bei der Flüchtlingsunterbringung zu starten.

Am Donnerstag versammelt Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ministerpräsidenten im Kanzleramt, um mit ihnen ein gewaltiges Gesetzes- und Vorhabenpaket zu schnüren. Doch im Vorfeld wächst die Nervosität, weil auch lange Zeit Undenkbares Eingang in die Entwürfe gefunden hat oder noch finden soll.

Bei einem Vorbereitungstreffen sagte der Bund bereits zu, sich stärker bei der Flüchtlings-Erstaufnahme zu engagieren und schnellstmöglich 40.000 zusätzliche Plätze zu schaffen. Außerdem soll die Bundeswehr weitere Verteilzentren betreiben. Klar ist aber auch, dass die Länder auf nochmals mehr Bundes-Geld dringen, obwohl Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die ursprüngliche Erhöhung von einer halben auf eine Milliarde um weitere drei Milliarden aufgestockt hatte. Zugleich regt sich jedoch Protest gegen Schäubles Vorhaben, mindestens 2,5 Milliarden der zusätzlichen Flüchtlingsmittel durch Einsparungen an anderer Stelle aufzufangen.

Aller Voraussicht nach werden sich die Gipfelteilnehmer auch auf deutliche Verschärfungen im Asylrecht verständigen. Dazu gehört die Erweiterung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten, womit Asylverfahren verkürzt und Abschiebungen erleichtert werden sollen. Weitgehend akzeptiert hat die SPD bereits die von der Union forcierte Umstellung von möglichst vielen Geld- auf Sachleistungen. Doch wie weit sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) durchsetzen kann, die freiwillige Ausreise abgelehnter Asylbewerber durch Leistungskürzungen zu beschleunigen, ist noch umstritten.

Hinzu kommen weitere Vorschläge auf der Unionsseite, die auf noch drastischere Einschränkungen hinauslaufen. So etwa ein unserer Redaktion vorliegendes Papier von Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU). Er will ein "Asylbewältigungsgesetz", das "besonders eilbedürftig" sei. Darin will er die doppelte Anhörung im Asylverfahren und vor den Verwaltungsgerichten abschaffen, die Verzögerung durch Befangenheitsanträge erschweren, die Akteneinsicht auf den ausschließlich elektronischen Weg umstellen und rechtskräftig ausreisepflichtigen Personen "keine Leistungen mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz" gewähren.

Schon während des Asylverfahrens soll Antragstellern Sozialhilfe nur "mindestens in Höhe des absolut Überlebensnotwendigen" gewährt werden, danach könnten sämtliche Sätze "in Anlehnung an das Sozialleistungsniveau im jeweiligen Herkunftsland unterschritten" werden. Auch das Grundrecht auf Asyl in der Verfassung soll danach eingeschränkt werden, indem sich künftig nicht mehr auf Asyl berufen kann, wer im Asylverfahren falsche Angaben macht. Überschrieben hat Heilmann diesen Abschnitt mit "Sanktionen für Verfahrenssabotage".

De Maizière brachte als zusätzliche Begrenzung einen Mechanismus ein, wonach künftig Flüchtlinge an den Außengrenzen der Europäischen Union abgewiesen werden können, wenn großzügig angelegte Kontingente für eine legale Zuwanderung ausgeschöpft wurden. SPD-Chef Sigmar Gabriel wies dieses Ansinnen umgehend zurück und verwies auf die von der CDU-Kanzlerin gemachten Zusicherungen "ohne Obergrenzen".

Das Tauziehen dürfte bei den Detailberatungen im Bundestag noch einige Wochen anhalten. Zugleich blicken die Spitzenpolitiker auf zusätzliche Milliarden-Hilfen für die Flüchtlingsregionen, in denen die Menschen bessere Bedingungen bekommen sollen, um ihre Motivation zur Flucht nach Europa zu minimieren. Merkel bricht deshalb unmittelbar nach dem Gipfel am Donnerstag nach New York auf, um auf die künftige Entwicklungspolitik der Uno einzuwirken.

(RP)
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