Flüchtlinge Warum die USA so wenig Flüchtlinge aufnehmen

Washington · Die USA wollen bis Ende 2016 nur insgesamt 8000 Syrer ins Land lassen. Unterdessen kommen in Deutschland derzeit täglich mehrere tausend Flüchtlinge an. Warum verfolgen die USA eine derart restriktive Flüchtlingspolitik?

 Die USA sind traditionell ein Einwanderungsland, die Freiheitsstatue vor New York heißt Neuankömmlinge willkommen. Trotzdem verfolgen die USA derzeit eine restriktive Flüchtlingspolitik.

Die USA sind traditionell ein Einwanderungsland, die Freiheitsstatue vor New York heißt Neuankömmlinge willkommen. Trotzdem verfolgen die USA derzeit eine restriktive Flüchtlingspolitik.

Foto: dpa, Hilke Segbers

Als die Bilder beschämender Flüchtlingsnot aus Ungarn um die Welt gingen, erinnerte Richard Durbin einmal mehr an seinen Brief, mit einem Nachdruck, dem eine gewisse Verzweiflung anzumerken war. Bereits im Mai hatte der Senator aus Illinois, einst einer der Mentoren Barack Obamas, in einem Appell an den Präsidenten gefordert, eine deutlich höhere Zahl fliehender Syrer aufzunehmen, 65.000 bis Ende 2016.

Da kein Ende des Blutvergießens abzusehen sei, möge die Administration zumindest bei der Linderung des Flüchtlingselends handeln, schrieb Durbin und gewann 13 seiner Senatskollegen als Mitunterzeichner. Geschehen ist seither wenig. Nach aktuellem Stand will das Weiße Haus bis Dezember nächsten Jahres maximal 8000 asylsuchende Syrer ins Land lassen, nachdem man seit Beginn des Bürgerkrieges in lediglich 1500 Fällen grünes Licht gegeben hatte.

Schuld ist eine Bürokratie, deren Mühlen so langsam mahlen, dass die mitteleuropäische im Vergleich dazu wie ein Musterbeispiel an Effizienz wirkt. Bittet ein Antragsteller aus Syrien um Asyl, muss sein Begehren von einer Armada von Beamten geprüft werden, im State Department, im Ministerium für Heimatschutz, beim FBI, um nur die wichtigsten Stellen zu nennen. Bis zum Abschluss des Verfahrens können zwei Jahre vergehen, und nichts lässt darauf schließen, dass die Behörden in einer Krisensituation bereit sind, flexibler zu handeln.

Was ihre Arbeit noch immer prägt, ist eine Art Wagenburgdenken, wie es mit dem Schock der Anschläge am 11. September 2001 Einzug gehalten hat. Die Angst, mit den Flüchtlingen auch nur einem einzigen potenziellen Terroristen die Türen zu öffnen, wiegt schwer. Natürlich reibt sich die übertriebene, bisweilen an Paranoia grenzende Vorsicht am Credo einer Einwanderernation, wie es die Worte der Dichterin Emma Lazarus auf dem Sockel der New Yorker Freiheitsstatue symbolisieren: "Gebt mir eure Müden, eure Armen... Schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturm Getriebenen".

Budapest: Flüchtlinge laufen zu Fuß nach Österreich
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Flucht zu Fuß von Budapest nach Österreich

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Foto: dpa, ase

Es ist ein Kanadier, der in Harvard lehrende Professor Michael Ignatieff, der am prägnantesten aufzeigt, welcher Widerspruch zwischen Wort und Tat klafft. "Was werden die Syrer, die vor dem Budapester Bahnhof kampieren, wohl halten von all der schönen Rhetorik über Menschenrechte und Flüchtlingsschutz?", fragte er neulich in einem Leitartikel der "New York Times". "Wenn wir schon dabei gescheitert sind, in Syrien Frieden zu vermitteln, können wir nicht wenigstens den Menschen helfen, die auf den Frieden nicht länger warten können?"

Bereits die Senatoren um Durbin hatten stolze Traditionen in Erinnerung gerufen, die Dirigentenrolle, wie sie Amerika spielte, als es nach dem Zweiten Weltkrieg darum ging, ein grenzübergreifendes System der Flüchtlingshilfe zu schaffen. Nachdem die internationale Gemeinschaft auf tragische Weise versagt habe bei der Rettung der europäischen Juden, habe Washington damals das Heft des Handelns übernommen, blendeten die Briefschreiber zurück und riefen Obama auf, sich das Kapitel zu Herzen zu nehmen.

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Diese Stars waren Flüchtlinge

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Foto: dpa, fa mb kde

1956, nach der Niederschlagung des Volksaufstands in Ungarn, gab das Land Zehntausenden eine neue Heimat, im Schnellverfahren, wobei eine Kaserne im Ostküstenstaat New Jersey zum Notaufnahmelager umfunktioniert wurde. In den späten siebziger und frühen achtziger Jahren kamen Hunderttausende "Boat People" aus Vietnam. Schon mit Blick auf die Vergangenheit ist zu erwarten, dass der Chor der Kritik an den Bedenkenträgern anschwellen wird.

(RP)
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