Athen Ausnahmezustand in Griechenland

Athen · Dass Balkanstaaten wie Mazedonien ihre Grenzen dichtmachen, hat sich herumgesprochen. Viele Flüchtlinge versuchen, noch nach Griechenland zu kommen, um von dort weiter nach Nordeuropa zu reisen.

Flüchtlinge in Mazedonien: Ausnahmezustand in Griechenland
Foto: Ferl

Die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze spitzt sich immer weiter zu. Während Mazedonien kaum noch Flüchtlinge ins Land lässt, kommen immer mehr Schutzsuchende über die Ägäis zu den griechischen Inseln. Die Aufnahmefähigkeit des Landes könnte bald erschöpft sein.

Statt nach Norden, wie erhofft, ging die Reise für rund 900 Migranten aus Afghanistan gestern zurück nach Süden: In mehreren Reisebussen ließ die griechische Polizei die Menschen von der mazedonischen Grenze in Auffanglager nach Athen bringen. Mazedonien hat seine Grenze seit Sonntag für Afghanen geschlossen. Lediglich Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak werden durchgelassen, sofern sie gültige Pässe haben, doch auch sie dürfen nur in kleinen Gruppen passieren.

Gestern ließ Mazedonien nach griechischen Angaben nur wenige hundert Menschen einreisen, während auf den Inseln rund 5000 neue Ankömmlinge aus der Türkei gezählt wurden. Dass die Balkanstaaten ihre Grenzen dichtmachen, hat sich offenbar auch unter den Flüchtlingen herumgesprochen, die an der türkischen Küste warten. Viele versuchen deshalb jetzt auf den letzten Drücker doch noch nach Griechenland zu kommen, um von dort weiter nach Nordeuropa zu gelangen.

Für viele ist die Reise allerdings schon bald zu Ende: Wegen der Straßenblockaden protestierender griechischer Bauern waren gestern Hunderte Flüchtlinge in ihren Bussen in Thessalien, südlich der Region Makedonien, gestrandet. Spätestens an der mazedonischen Grenze ist für die meisten Endstation. Manche suchen nach einem Loch im Grenzzaun - vergeblich.

Die mazedonischen Behörden bauen ihre Sperranlagen immer weiter aus. Hunderte Migranten besetzten dort die Eisenbahngleise, die bei der Ortschaft Idomeni über die Grenze führen, und blockierten so die Weiterfahrt mehrerer Güterzüge. Im Laufe des gestrigen Tages räumte die Polizei die Bahnstrecke.

Chaotische Zustände herrschten auch in Piräus, wo am Montag rund 4000 Flüchtlinge mit Fährschiffen von den ostägäischen Inseln eingetroffen waren. Gestern Morgen kamen 1200 Menschen, weitere wurden für den Abend erwartet. "Es kommen immer mehr Schiffe", sagte der Bürgermeister von Piräus, Giannis Moralis, im Fernsehen. Die Terminals im Hafen seien bereits überfüllt.

Die Polizei versucht die Ankömmlinge an der Weiterfahrt nach Norden zu hindern, um die angespannte Lage an der mazedonischen Grenze nicht noch weiter zu verschärfen. Die Menschen wurden in Lager- und Sporthallen untergebracht. Viele erklärten aber, sie wollten sich auf eigene Faust weiter nach Norden durchschlagen.

Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits 102.500 Menschen über die Ägäis nach Griechenland gekommen - mehr als im gesamten ersten Halbjahr 2015. Geht das so weiter, könnte sich Griechenland binnen weniger Tage in ein riesiges Internierungslager für Flüchtlinge und Migranten verwandeln - ohne dass es bisher Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten für die ständig nachströmenden Menschen gibt. Unter Hochdruck prüft die griechische Regierung jetzt, wo die Flüchtlinge Aufnahme finden können. So sollen unter anderem Einrichtungen der Streitkräfte als Unterbringungslager hergerichtet werden.

Griechenland macht Österreich wegen der dort eingeführten Tagesquoten für die Grenzschließungen verantwortlich. Der griechische Vizeminister für Migration sieht darin einen Verstoß gegen die Vereinbarung, die beim EU-Flüchtlingsgipfel vergangene Woche getroffen wurde. Das sei "eine Art Coup", sagte Mouzalas.

Auch die für den heutigen Mittwoch von Österreich organisierte Westbalkankonferenz zur Flüchtlingsfrage sorgt für Spannungen zwischen Athen und Wien. Der griechische Botschafter in Wien übergab im dortigen Außenministerium eine Protestnote. Es werde mit dieser Konferenz versucht, ohne die Beteiligung Griechenlands Entscheidungen zu treffen, die Griechenland direkt beträfen, heißt es in der Note. Dies sei ein "einseitiger und keineswegs freundschaftlicher Akt".

(RP)
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