Analyse Warum die Queen sich nicht zum Brexit äußert

Düsseldorf · Wie hält es die Queen mit dem Brexit? Diese Frage hat schon vor dem Referendum viele Briten beschäftigt, und angesichts des politischen Chaos nach der Abstimmung käme vielen Untertanen ein sachdienlicher Hinweis sicherlich gelegen. Doch dieser kommt nicht. Und dies hat Gründe.

 Die Queen hält sich in der aktuellen Debatte vornehm zurück.

Die Queen hält sich in der aktuellen Debatte vornehm zurück.

Foto: afp, ad

In der Öffentlichkeit wahrt Elisabeth II. strikte politische Neutralität. Was faktisch bedeutet, dass sie sich zu politischen Fragen überhaupt nicht äußert: "No comment!"

Elizabeth II. ist als Repräsentantin des Vereinigten Königreichs allgegenwärtig: Briefmarken, Banknoten und Münzen tragen ihr Konterfei, Schiffe werden in ihrem Namen getauft, Treue- und Fahneneide sowie die Nationalhymne gelten ihr und nicht dem Staat. Aber das ist nur schöner Schein. In Wirklichkeit mussten Elisabeths blaublütige Vorfahren das Recht zur Gesetzgebung schon Ende des 17. Jahrhunderts an das Parlament abtreten. Und im 18. Jahrhundert, als der Absolutismus auf dem europäischen Kontinent zur Höchstform auflief, übernahmen die Abgeordneten auf der anderen Seite des Ärmelkanals auch die Kontrolle der Regierung.

"Ermutigen und warnen"

Großbritannien hat anders als die meisten westlichen Staaten keinen Verfassungstext, die sämtliche Bereiche des politischen Lebens im Detail regelt. Auf der Insel gilt eine über Jahrhunderte durch die politische Praxis und Gewohnheitsrecht herausgebildete ungeschriebene Verfassung, die aber nicht minder strikt befolgt wird. Ihr zufolge sind dem britischen Monarchen drei politische Mitwirkungsrechte geblieben, die der englische Verfassungstheoretiker Walter Bagehot 1867 so beschrieb: "angehört zu werden, zu ermutigen und zu warnen".

Dieses Recht nimmt die Queen freilich nur hinter sorgsam verschlossenen Türen wahr, bei der wöchentlichen Privataudienz mit dem Premierminister. Dabei wird nicht nur nett beim Tee geplaudert, Elisabeth II. nimmt die Sache sehr ernst. Die frühere Regierungschefin Margaret Thatcher lobte den "großen Sachverstand" der Queen, und auch ausländische Staats- und Regierungschefs zeigten sich immer wieder beeindruckt von der politischen Expertise der Monarchin.

Aber ihr Einfluss ist nur indirekt. So verliest die Königin bei der jährlichen Parlamentseröffnung eine in Wirklichkeit vom Premierminister verfasste Thronrede. Zwar werden alle britischen Gesetze "im Namen Ihrer Majestät" erlassen, sie sind aber nur formell von der Zustimmung der Krone abhängig. Auch für die Rechtsprechung über ihre Untertanen ist die Monarchin nur theoretisch verantwortlich. Selbst bei der Ernennung von Bischöfen, für die die Queen als weltliches Oberhaupt der Staatskirche von England offiziell zuständig ist, trifft der Premier die Personalentscheidung.

Gerade weil die Queen zum politischen Stillschweigen verdonnert ist, bekommt jede ihrer Äußerungen umso mehr Gewicht, wird zum Gegenstand wilder Spekulationen und Interpretationen. So im Herbst 2014, als die Queen kurz vor dem Referendum über die Abspaltung Schottlands von Großbritannien auf dem Weg zum Gottesdienst nahe ihrer schottischen Residenz Balmoral eher beiläufig zu einem Gemeindemitglied sagte, die Schotten sollten sich lieber gut überlegen, wie sie abstimmen. Diese an sich harmlose Bemerkung wurde überwiegend als Aufforderung gewertet, gegen die Abspaltung Schottlands zu votieren - was dann auch geschah.

"Drei gute Gründe"

Auch im Vorfeld der Brexit-Abstimmung lauerten viele Untertanen auf ein codiertes Signal der Queen, die sich diesmal aber nicht in die Karten blicken ließ. Prompt dienten private Äußerungen der Queen als Beleg für eine angebliche Euroskepsis des Staatsoberhaupts. So kolportierte der Biograf der Regentin, Robert Lacey, die Queen habe während eines Dinners anlässlich ihres 90. Geburtstag ihre Gäste dazu aufgefordert, "drei gute Gründe" zu nennen, warum Großbritannien Teil Europas sein sollte. Schon einige Wochen zuvor hatte das Boulevardblatt "The Sun" unter Berufung auf einen anderen Dinner-Gast, den früheren Vize-Premier Nick Clegg, behauptet, die Königin habe den Kurs der EU kritisiert. Ihre Majestät reagierte "not amused" und ließ den Bericht dementieren. Die Zeitung musste sich entschuldigen.

(RP)
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