Theresa May wird Premierministerin Die Eiskönigin ist am Ziel

London · Innenministerin Theresa May ist nach dem abrupten Rückzug ihrer Rivalin Andrea Leadsom einzig verbliebene Kandidatin der Tories. Nun wird sie wohl schon am Mittwoch zur neuen Premierministerin Großbritanniens gekürt.

Großbritannien: Das ist Theresa May
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Foto: dpa, TH abl

Die steinernen Mienen ihrer Gefolgsleute sprachen Bände. Als Andrea Leadsom am Montag überraschend vor die Tür ihres Wohnhauses in London trat, um ein Statement zu verlesen, wusste jeder, was jetzt kommt: noch ein Rücktritt. Nachdem zuerst David Cameron als Premierminister aufgegeben hatte, dann Boris Johnson darauf verzichtete, sich als sein Nachfolger zu bewerben, entschied nun auch Andrea Leadsom, das Handtuch zu werfen und sich aus dem Rennen um den Parteivorsitz der Konservativen zurückzuziehen. Damit wird Theresa May als einzige noch verbleibende Kandidatin jetzt die künftige Tory-Chefin, Nachfolgerin von Cameron und damit nach Margaret Thatcher die zweite weibliche Premierministerin von Großbritannien werden.

Umgang mit den Medien

Andrea Leadsom wurde ihre Unerfahrenheit im Umgang mit den Medien zum Verhängnis. In einem Interview mit der "Times" hatte sie darauf verwiesen, dass sie drei Kinder zur Welt gebracht habe, ihre Gegenkandidatin Theresa May dagegen kinderlos sei. Sie legte nahe, dass sie deswegen besser für das Premierministeramt geeignet sei, weil sie als Mutter "eine sehr reale Teilhabe an der Zukunft unseres Landes" habe. Das Interview hatte zu einem Sturm der Entrüstung geführt. Ein Dementi von Leadsom, die es nicht so gemeint haben wollte, half dann auch nicht mehr. Gestern konnte sich die Staatssekretärin im Umweltministerium ausrechnen, dass sie bei den Parteimitgliedern, die letztlich über den Chefposten in einer Briefwahl zu entscheiden hätten, nicht mehr genug Unterstützung finden würde.

Leadsom selbst begründete ihren Rückzug damit, dass das Land jetzt eine geeinte Partei und eine starke Führung brauche. Sie habe zwar die Nominierung von 84 Unterhausabgeordneten erhalten, doch sei die Unterstützung von weniger als einem Viertel der konservativen Fraktion nicht genug. "Theresa May gewann die Rückendeckung von 60 Prozent der Tory-Kollegen", sagte Leadsom. "Sie ist in einer idealen Position, um den Brexit zu den bestmöglichen Bedingungen für das britische Volk umzusetzen, und ich denke, das wird sie tun."

"Brexit bedeutet Brexit"

Das hat auch Theresa May selbst in einer Rede in Birminigham bestätigt. "Brexit bedeutet Brexit", sagte sie, "und wir machen einen Erfolg daraus." Damit dürften die Gerüchte über einen möglichen "Exit vom Brexit", ein eventuelles zweites Referendum oder dergleichen, endgültig vom Tisch sein. Es gehe darum, sagte May in Birmingham, das Land "durch eine Zeit der ökonomischen und politischen Unsicherheit zu steuern" im Versuch, "eine neue Rolle für uns in der Welt zu schmieden". Dazu brauche es eine "starke und bewährte Führerschaft".

Damit verwies sie auf sich selbst. Der große Vorzug von Theresa May ist sicherlich, dass sie schon so lange dabei ist. Sie ist die längstdienende Innenministerin, die die Konservativen je hatten. Sie gilt als erfahren, solide und äußerst versiert mit den Details ihres Aufgabenbereichs. Sie gehört dem moderaten, zentristischen Flügel der Konservativen Partei an und hat, obwohl sie mit euroskeptischen Positionen hervorgetreten ist, im Referendumswahlkampf die Seite der EU-Freunde vertreten.

Einige ihrer Kollegen nennen sie die "Eiskönigin". Damit sind ihre kühle Art und ihr hartes Verhandlungsgeschick ebenso gemeint wie der Umstand, dass sie unter den Tory-Kollegen keine Gefolgschaft kultiviert hat, wie es andere mit Ambitionen auf Höheres getan haben. May dagegen versuchte stets, mit Kompetenz zu trumpfen.

Zugang zum Binnenmarkt

Die 59-jährige Pfarrerstochter trat schon im Alter von zwölf Jahren in die Konservative Partei ein, arbeitete nach ihrem Studium in Oxford im Londoner Finanzdistrikt und wurde 1997 ins Unterhaus gewählt. Dort machte sie schnell Karriere, zuerst als Mitglied des Schattenkabinetts, später als Generalsekretärin der Partei. Mit dem Wahlsieg der Tories im Mai 2010 wurde sie Innenministerin und hat sich seitdem auf diesem Posten, der als Schleudersitz gilt, halten können.

May hat bisher nur wenig verraten, was ihre Haltung zu den Brexit-Verhandlungen angeht, aber immerhin gesagt, dass sie mit der Anrufung von Artikel 50, was den Austritts-Prozess starten würde, warten will, "bis eine Exit-Strategie klar ist". Außerdem deutete May an, dass sie nicht auf einen harten Brexit zusteuert, sondern "den bestmöglichen Zugang zum Binnenmarkt" anstrebt.

(RP)
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