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Interview mit Manfred Weber zum EU-Gipfel "Europa darf nicht die Zäune hochziehen"

Berlin · Manfred Weber, der einflussreiche Chef der Konservativen und Christdemokraten im Europaparlament und CSU-Vize, appelliert an die Staats- und Regierungschefs, beim EU-Gipfel nationale Egoismen zu überwinden und gegenüber Flüchtlingen Humanität zu zeigen. "Eine Total-Abriegelung ist nicht akzeptabel für Europa", sagte Weber unserer Redaktion.

 Manfred Weber sprach mit unserer Redaktion über die Flüchtlingskrise.

Manfred Weber sprach mit unserer Redaktion über die Flüchtlingskrise.

Foto: dpa, so jak

Herr Weber, wie wichtig ist der Gipfel?

Weber Er ist zentral für die Entwicklung der EU. Zum einen geht es darum, den britischen Wählern ein faires Angebot zu machen, damit sie sich im Referendum für Europa entscheiden. Die zweite Aufgabe besteht darin, eine gemeinsame Antwort auf die Migrationskrise zu finden. Europa steht vor der Pflicht, bis zum Wochenende Handlungsfähigkeit zu beweisen.

Wie sähe die Antwort aus?

Weber Es geht um zwei Signale. Es geht zunächst darum, dass die Mitgliedsstaaten in der Lage sind, die Außengrenzen wirksam zu sichern. Wir müssen an den Grenzen wieder für Ordnung sorgen und entscheiden, wer rein darf und wer nicht. Dafür brauchen wir Entschlossenheit. Gleichzeitig, wenn wir uns die Situation in und um Aleppo ansehen, ist klar, dass wir die Flüchtlinge nicht im Stich lassen dürfen. Europa muss Humanität zeigen und über Kontingente Menschen aufnehmen, die wirklich dringend Schutz benötigen. Das muss ganz Europa schaffen.

Bei der Verteilung zeigen Partner und Freunde Merkel die kalte Schulter. Ist sie da nicht längst gescheitert?

Weber Nein. Ein Scheitern Europas an dieser Stelle, ist keine Option. Wenn wir sehen, dass im Libanon inzwischen mehr syrische als libanesische Kinder in die Schule gehen, wenn wir sehen, was bitterarme Länder wie Jordanien leisten, dann darf sich dieser reiche Kontinent Europa, der sich auch als christlich definiert, nicht abwenden. Eine Total-Abriegelung ist nicht akzeptabel für Europa. Dafür brauchen wir feste Kontingente für ganz Europa und eine faire Verteilung.

Wie groß müsste ein solches Gesamt-Kontingent für Europa sein?

Weber Es wäre falsch, heute über Zahlen zu spekulieren. Ich bin davon überzeugt, dass Europa den Vereinten Nationen eine überraschend große Zahl anbieten könnte, wenn jeder Mitgliedsstaat seine Leistungsfähigkeit ehrlich betrachten würde. Es fehlt die Bereitschaft, diesen Schritt zu gehen und diesen auch den Bürgern zu Hause zu erklären.

Und wenn es hier doch keine Solidarität gibt, soll dann die Solidarität der EU-Gelder an die Bereitschaft zur Flüchtlingsaufnahme gekoppelt werden?

Weber Es steht mehr auf dem Spiel als die jährlichen Mittelzuweisungen. Ein Grundgedanke Europas ist in Gefahr: Jeder, der sich der europäischen Solidarität verweigert, muss wissen, dass dann das große europäische Projekt der Freizügigkeit im Schengen-Vertrag scheitern kann. Es dürfen nicht europaweit die Zäune wieder hochgezogen werden. Das wird keiner wollen. Gleichzeitig müssen wir gemeinsam an den EU-Außengrenzen mehr Härte zeigen.

Das fordert die CSU auch als nationale Maßnahme. Wie lange hat die Kanzlerin noch, bis das unabdingbar wird?

Weber Wir vertrauen auf die Kanzlerin und ihren Weg. Auch die CSU will die europäischen Lösungen. Denn nur die können nachhaltig sein. Mit kurzfristigen Ergebnissen kommen wir letztlich nicht weit, weil uns die Flüchtlingsproblematik auf Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte erhalten bleibt. Die Fortschritte, die dieser Gipfel erreicht, werden wir dann bewerten.

Es sieht danach aus, als blieben die weitgehend aus - was folgt daraus für die nationalen Handlungen?

Weber Jede nationale Maßnahme bedeutet natürlich Belastungen. Temporäre Grenzschließungen in Deutschland würden zu Belastungen nicht nur in anderen Ländern führen. Allein über den Brenner werden jeden Tag Waren im Wert von mehreren hundert Millionen Euro transportiert. Nationale Grenzkontrollen haben in dieser enorm vernetzten Welt, auf die wir angewiesen sind, immer auch ökonomische Risiken. Sie wären nur ein vorübergehender Schritt zu einer gemeinsamen europäischen Lösung. Wenn wir diese gleich erreichen könnten, wäre das sicher besser. Ich vertraue in erster Linie auf europäische Maßnahmen, um die Zahlen der Flüchtlinge an der bayerisch-österreichischen Grenze in den nächsten Wochen deutlich zu begrenzen.

Bis wann muss die Wende erkennbar sein?

Weber Wir arbeiten daran, dass es in die richtige Richtung geht.

Die Visegrad-Staaten haben sich schon vor dem Gipfel auf Plan-B — Abriegelung der Griechenland-Grenze — verständigt. Wie hilfreich ist das?

Weber Die Solidarität ist der Kitt, der Europa zusammenhält. Dafür müssen wir immer aufeinander zugehen. Auch die Visegrad-Staaten sollten erkennen, dass Europa mehr ist als die Summe der nationalen Perspektiven. In der EU-Kommission und im Europäischen Parlament haben wir klare Mehrheiten für eine faire Verteilung und für die Grenzsicherung. An Brüssel liegt es nicht, dass wir in der Flüchtlingsfrage nicht vorankommen, es liegt leider am verstärkt aufkommenden nationalen Egoismus. Den müssen wir überwinden.

Gregor Mayntz führte das Interview.

(may-)
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