Jean-Claude Junckers Wutanfall "Das europäische Parlament ist lächerlich"

Straßburg · Als Jean-Claude Juncker am Dienstag seine Rede halten will, blickt er in ein fast leeres Europaparlament. Nur 30 der 751 Abgeordneten sitzen auf ihren Plätzen. Da platzt dem EU-Kommissionspräsident der Kragen – er beschimpft die Parlamentarier.

Als Jean-Claude Juncker am Dienstag seine Rede halten will, blickt er in ein fast leeres Europaparlament. Nur 30 der 751 Abgeordneten sitzen auf ihren Plätzen. Da platzt dem EU-Kommissionspräsident der Kragen — er beschimpft die Parlamentarier.

"Das europäische Parlament ist lächerlich", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Dienstag in Straßburg. "Die Tatsache, dass bei dieser Debatte rund 30 Abgeordnete anwesend sind, zeigt hinreichend, dass das Parlament nicht ernsthaft ist." Insgesamt hat das EU-Parlament 751 Abgeordnete.

Die Sitzung am Dienstag konzentrierte sich auf die maltesische EU-Präsidentschaft, die am 1. Juli zu Ende gegangen war. Juncker sollte eine Rede dazu halten. Der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat nahm an der Plenarsitzung teil — er sprach vor Juncker. "Wenn Herr Muscat Frau Merkel oder Herr Macron gewesen wäre, hätten wir ein volles Haus gehabt", sagte Juncker anschließend. Der 62-jährige Konservative aus Luxemburg gestikulierte dabei echauffiert mit seinen Händen und traf mehrfach das Mikrofon.

Der italienische EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erwiderte daraufhin empört, es sei das Parlament, das die Kommission kontrolliere und nicht umgekehrt. "Sie sind lächerlich!", legte Juncker mit Verweis auf nur wenige Abgeordnete im Saal nach. "Herr Präsident, ich bitte Sie eine andere Tonart zu verwenden", forderte der gleichfalls konservative Tajani energisch. "Wir sind nicht lächerlich. Bitte! Bitte!"

"Ich werde nie wieder einer Zusammenkunft dieser Art beiwohnen", schoss Juncker zurück. "Das Parlament muss selbst die Präsidentschaften kleinerer Länder respektieren, was das Parlament nicht macht." Juncker setzte sich danach und verzichtete darauf, seine Rede zur Bilanz der maltesischen Ratspräsidentschaft zu halten.

In einer Erklärung warf der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold Juncker später einen "Parlamentsboykott" vor. "Der Kommissionspräsident schadet der europäischen Demokratie, wenn er das EU-Parlament boykottiert", erklärte Giegold. "Juncker hat als Kommissionspräsident die Pflicht, dem Parlament zu berichten, seine Weigerung war selbstgerecht und arrogant."

Die Bilanzen der jeweiligen halbjährigen Präsidentschaften im EP haben Tradition. Am 1. Juli übernahm Estland die Präsidentschaft bis Ende des Jahres. Der Luxemburger Juncker dankte der maltesischen Regierung für ihre Arbeit. Hintergrund seiner Äußerung ist auch, dass Malta noch vor Luxemburg das EU-Mitglied mit der geringsten Einwohnerzahl ist. Der frühere luxemburgische Ministerpräsident Juncker hat sich wiederholt dafür eingesetzt, dass kleine EU-Staaten eine gleichberechtigte Rolle in der EU spielen müssten.

Juncker hat einen wichtigen Führungsposten in der EU mit ihren 28 Mitgliedern inne. Die EU-Kommission bereitet Regeln für die Staatengemeinschaft vor und ist für ihr Tagesgeschäft zuständig. Das Parlament hat zwar seinen Einfluss im vergangenen Jahr verstärkt, doch werden noch immer viele Entscheidungen von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten oder der Kommission getroffen.

(wer/AFP/REU/dpa/AP)
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