"Oxi" oder "Nai" So funktioniert das griechische Referendum

Athen · Alle warten auf das griechische Referendum. Denn fest steht: Die Gläubiger wollen erst nach der Volksabstimmung wieder über Hilfe verhandeln. Doch über was sollen die Griechen eigentlich genau entscheiden? Und wie sieht die Stimmungslage vor Ort diesbezüglich aus?

Griechische Rentner strömen zu den Banken
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Die fällige Milliardenrate an den IWF zahlte Griechenland nicht, das aktuelle Hilfsprogramm ist ausgelaufen. Rentner stehen an den rund 1000 für sie geöffneten Bankfilialen Schlange, um die ihnen zugebilligten 120 Euro abzuheben, alle anderen Griechen bekommen 60 Euro pro Tag, wenn es die Automaten denn hergeben.

Seit die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern am Wochenende abgebrochen worden sind, warten alle auf das für Sonntag angesetzte Referendum. Auch die Gläubiger wollen dann erst wieder über Hilfen für das krisengebeutelte Land sprechen, wie am Mittwoch gesagt wurde. Für viele ist die Abstimmung gleichbedeutend mit einem Ja oder Nein zu Europa. Dabei dreht sich das Referendum selbst allerdings gar nicht um die Krisenpolitik von EU, EZB und IWF insgesamt, sondern um ein Detail.

 So sieht der Abstimmungszettel zum Referendum aus.

So sieht der Abstimmungszettel zum Referendum aus.

Foto: dpa, sp lb

"Soll der gemeinsame Plan angenommen werden, den die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds bei der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegt haben?", heißt es auf dem Abstimmungszettel zunächst. Anschließend wird ausgeführt, dass der Plan aus zwei Teilen bestehe, wobei die englischen Titel der Dokumente (die griechische Übersetzung in Klammern) genannt werden: "Reformen zum Abschluss des laufenden Programms und darüber hinaus" sowie "Vorläufige Analyse der Tragfähigkeit der Schulden".

Es geht also um die konkreten Vorschläge der Gläubiger vom 25. Juni, die aber — und das ist die Krux — schon gar nicht mehr zur Debatte stehen, weil die Verhandlungen darüber am Wochenende gescheitert sind und die Fristen dazu abgelaufen sind. "Wir sind in einer neuen Lage", sagte Valdis Dombrovskis, Vizechef der EU-Kommission. Es werde jetzt nicht mehr über die Verlängerung des alten Rettungsplanes gesprochen, sondern über ein Zwei-Jahres-Programm des Eurorettungsschirms ESM, aus dem ein Kredit gefordert wurde. Dennoch sollen die Griechen über die veralteten Unterlagen abstimmen.

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Sie haben die Wahl zwischen "Oxi" (Nein) und oder "Nai" (Ja). Für Stirnrunzeln hat dabei auch geführt, dass das "Nein" an erster Stelle steht — entgegen der üblichen Art und Weise also. Und die griechische Regierung empfiehlt den Griechen, mit Nein zu stimmen. Denn das würde, so sehen es Ministerpräsident Alexis Tsipras und seine Kollegen, den Druck auf die Verhandlungen in Brüssel erhöhen.

Rechtlich aber ist das Referendum umstritten. Für den Generalsekretär des Europarats erfüllt es nicht die üblichen internationalen Standards. Demnach sollte eine Volksabstimmung mindestens zwei Wochen im Voraus angekündigt werden, um genügend Zeit zur Diskussion zu lassen, sagte Thorbjörn Jagland der Nachrichtenagentur AP. Auch sei problematisch, dass die gestellte Frage nicht klar sei. Außerdem sei es wegen der knappen Zeit unmöglich, internationale Beobachter ins Land zu entsenden, wie es sonst bei einem Referendum üblich sei.

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Auch der Augsburger Völkerrechtler Christoph Vedder äußerte sich in der "Süddeutschen Zeitung" kritisch. Die Abstimmung erfolge "überfallartig", den Bürgern bleibe deutlich weniger Zeit, sich zu informieren als eben jene üblichen zwei Wochen.

Die Regierung in Athen aber hält an dem Referendum fest, hat auch eine eigene Internetseite eingerichtet, auf der sich die Bürger informieren können. Dort sind die Formalien nachzulesen und warum das Referendum abgehalten wird — in griechischer und englischer Sprache. Auch die Brüsseler Dokumente sind — auf englisch — eingestellt, allerdings, so berichtet tagesschau.de, sind diese nicht identisch mit denen, welche die EU-Kommission auf ihre Internetseiten gestellt hat. Zudem bekommt Ministerpräsident Tsipras viel Raum, seine Ansichten zu erläutern.

Fraglich ist ohnehin, ob sich die griechischen Bürger ganz genau darüber informieren, über was sie da eigentlich genau abstimmen. "Ich habe die Reformvorschläge im Einzelnen nicht gelesen", zitiert etwa die Nachrichtenagentur dpa die Griechin Maria Voulgari. "Ich werde aber dagegen stimmen."

Wie das Referendum genau ausgehen wird, das weiß im Moment niemand. Jüngste Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. 47,1 Prozent der Befragten würden demnach am 5. Juli für Ja stimmen, 43,2 Prozent wären dagegen, ergab die Befragung im Auftrag der konservativen Zeitung "Eleftheros Typos".

Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der linksgerichteten Zeitung "Efimerida ton Syntakton" hatte noch eine Mehrheit für die Reformgegner ergeben: 46 Prozent der Befragten stimmten dort für Nein, 37 für Ja.

mit Agenturmaterial

(das)
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