Papier aus dem Finanzministerium So geht es den Griechen wirklich

Berlin · Das Bundesfinanzministerium listet auf 40 Seiten auf, wie stark die griechische Wirtschaft seit 2009 eingebrochen ist - und was die Regierung in Athen seitdem (nicht) erreicht hat. Die Tsipras-Regierung bringt ein Anti-Krisen-Gesetz auf den Weg.

Griechenland hat Deutschland 360 Millionen Euro Zinsen gezahlt
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Jeder zweite Jugendliche in Griechenland ist arbeitslos, die Wirtschaftsleistung ist seit 2009 um ein Viertel geschrumpft, und die Staatsschulden sind drastisch gestiegen - die Bilanz nach fünf Jahren Krisenpolitik in und für Griechenland sieht verheerend aus. Das muss auch das Bundesfinanzministerium in einem 40 Seiten langen Antwortschreiben auf einen Fragenkatalog der Linksfraktion eingestehen. Doch sieht es für Griechenland weiterhin keinen anderen als den Weg durch das Tal der Tränen. "Die Alternative zu einem Anpassungsprogramm wäre eine ungeordnete Staatsinsolvenz Griechenlands mit der Folge erheblich gravierenderer Anpassungskosten gewesen", heißt es in der Antwort, die unserer Zeitung vorliegt.

"Anpassungsprogramme" werden die Vereinbarungen der EU mit Griechenland genannt, weil es tatsächlich um Anpassung geht: Das Land hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich über seine Verhältnisse gelebt. Löhne und Staatsverschuldung entsprachen schon längst nicht mehr dem, was erwirtschaftet wurde. Private Geldgeber entzogen Griechenland daher ihr Vertrauen, es wurde abhängig von Hilfszahlungen der Euro-Partner. Deren Krisenpolitik wird heute von der Tsipras-Regierung und anderen für gescheitert erklärt - ein Befund, den das Schäuble-Ministerium freilich nicht teilt. Es sieht sogar Licht am Ende des Tunnels: das Wachstum sei 2014 zurückgekehrt, der Primärüberschuss (ohne Zinszahlungen) im Staatshaushalt auch.

Die Staatsschulden stiegen laut dem Papier von 301 Milliarden Euro 2009 auf 318 Milliarden 2014. Die Schuldenstandsquote nahm von 126,8 auf 176,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu - vor allem, weil dieses stark eingebrochen ist. Es schrumpfte von 239,2 Milliarden Euro 2009 auf 186,9 Milliarden 2014 - ein Rückgang von 22 Prozent.

Einnahmen aus Privatisierungen blieben 2010 bis 2013 deutlich unter den Erwartungen: Statt 22 Milliarden Euro wurde nur eine einzige Milliarde durch Verkäufe von Staatseigentum vereinnahmt. Für 2014 bis 2020 erwartet die EU-Kommission jetzt zwar geringere Privatisierungseinnahmen von 20 Milliarden Euro, doch Athen will den Prozess jetzt nahezu komplett stoppen.

Das Renteneintrittsalter hat Griechenland auf 67 Jahre erhöht. Bei Beamtenpensionen wurde die 13. und 14. Monatszahlung in einen festen Betrag umgewandelt und für Bezieher höherer Pensionen gestrichen. Die Arbeitslosenquote stieg von 12,7 Prozent 2010 auf 25,8 Prozent Ende 2014. Unter den Jugendlichen bis 25 Jahre nahm sie von 33 auf 50,8 Prozent zu. Die Armutsquote hat sich den Angaben zufolge von elf auf 20 Prozent von 2009 bis 2013 fast verdoppelt. Die Tsipras-Regierung will nun Lebensmittelkarten an 300 000 bedürftige Bürger verteilen. Das entsprechende Anti-Krisen-Gesetz brachte sie auf den Weg.

Das Durchschnittseinkommen sank von 13 974 Euro 2010 auf 9303 Euro 2013, ein Rückgang von 33,4 Prozent. Dagegen lag das Nettoprivatvermögen in Griechenland 2013 mit einem Mittelwert von 147 800 Euro pro Kopf noch relativ hoch. In Deutschland betrug es nach EU-Angaben 195 200 Euro, so das Papier.

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Die Antwort der Bundesregierung zeige, wie die Krisenpolitik Rezession und Armut verursacht habe, ohne an der Finanzlage des Landes etwas zu verbessern, sagte Linken-Politiker Andrej Hunko. Das Volumen notleidender Kredite in Griechenland sei zwischen 2012 und 2014 von 46 auf 78 Milliarden Euro gestiegen. Die Krisenpolitik sei "auf ganzer Linie gescheitert". Das sieht Schäuble anders: Nicht die Krisenpolitik, sondern die hemmungslose Politik vor der Krise habe den Absturz verursacht. Griechenland wird nun nach Einschätzung der spanischen Regierung ab Juli ein drittes Hilfspaket von 30 bis 50 Milliarden Euro benötigen. Kanzlerin Angela Merkel sagte in Brüssel, sie halte solche Spekulationen für "verfrüht".

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Noch ist auch offen, ob Deutschland jemals sämtliche Hilfskredite von Griechenland zurückerhält. Bisher aber hat der deutsche Fiskus noch kein Geld verloren. Athen hat Deutschland im Gegenteil für die Hilfskredite Zinsen gezahlt. "Die KfW hat im Zeitraum 2010 bis 2014 an den Bund Zinseinnahmen von insgesamt rund 360 Millionen Euro ausgekehrt", so die Antwort. "Für die kommenden Jahre erwartet die Bundesregierung nur noch geringfügige Einnahmen für den Bundeshaushalt in Höhe von rund 20 Millionen Euro jährlich."

(mar)
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