Flüchtlingsgipfel in Wien EU will Grenzschutz statt Willkommenskultur

Berlin/Wien · Beim Wiener Gipfeltreffen wird deutlich, dass sich auch Angela Merkel von der liberalen Flüchtlingspolitik endgültig verabschiedet hat.

 Angela Merkel inmitten ihrer Amtskollegen.

Angela Merkel inmitten ihrer Amtskollegen.

Foto: afp

Die Staaten entlang der Balkanroute setzen darauf, diesen Fluchtweg für die illegale Migration durch weitere Grenzschutz-Verbesserungen komplett zu schließen. Trotz der Grenzzäune und Grenzkontrollen auf dieser Route seien im laufenden Jahr immer noch 50.000 Menschen nach Deutschland und 18.000 nach Österreich gelangt, sagte Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nach einem Treffen der Regierungschefs von elf Staaten der Balkanroute am Wochenende in Wien. "Wir müssen die Kontrolle über unsere Außengrenzen wiedergewinnen, wir müssen diejenigen sein, die entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Schmuggler", sagte der Sozialdemokrat.

Bei dem Treffen auf Einladung Kerns wurde deutlich, in welchem Ausmaß die EU insgesamt, vor allem aber Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre eher liberale Flüchtlingspolitik des vergangenen Jahres mittlerweile korrigiert hat. Statt auf Willkommenskultur setzen die EU und die Kanzlerin auf einen verbesserten Grenzschutz.

Weder EU-Ratspräsident Donald Tusk noch Merkel wiederholten in Wien ihre frühere Kritik an der Schließung der Balkanroute durch Österreich und die übrigen Staaten entlang der Route. Merkel hatte diese Schließung in der Vergangenheit scharf kritisiert, weil sie das Ende des Schengen-Abkommens und des freien Grenzverkehrs innerhalb der EU befürchtet hatte. Zudem hatte Merkel nach der Schließung der Fluchtroute vor einem Rückstau von Migranten in Griechenland gewarnt. Nachdem sie aber mit der Türkei ein umstrittenes Flüchtlingsabkommen geschlossen hatte, konnte der Zustrom nach Griechenland weitgehend gestoppt werden.

Frontex soll mehr Personal bekommen

Die elf Regierungschefs waren sich in Wien einig, die EU-Grenzschutzagentur Frontex personell aufzustocken. Bislang hatten sich die EU-Staaten bereit erklärt, Frontex 1000 Beamte zur Verfügung zu stellen. Diese Aufstockung verlief allerdings schleppend. Dennoch könnten die Beamten schon bald zum Einsatz kommen. Denn Griechenland habe einen Hilfsantrag zum Frontex-Einsatz an der griechisch-mazedonischen Grenze gestellt, berichtete Merkel.

Zudem solle es bald nicht nur Rückführungsabkommen mit den Staaten Nordafrikas und Afghanistan oder Pakistan geben, sondern auch Flüchtlingsabkommen wie mit der Türkei. Solche Verträge sollen verhindern, dass Migranten aus diesen Staaten ausreisen, um nach Europa zu gelangen. Der Türkei hatte Europa unter anderem Milliarden für ihre Flüchtlingslager zugesagt. Im Gegenzug zeigte sich die Türkei bereit, in Griechenland angelandete Flüchtlinge zurückzunehmen. Bislang gelingt auch dies nur schleppend. Deutschland sei auch bereit, Griechenland und Italien jährlich zusätzlich 6000 Flüchtlinge abzunehmen, um auseinandergerissene Familien in Deutschland zusammen zu führen, sagte Merkel.

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger lobte die neue Einigkeit auf dem Wiener Treffen. "Europa zieht die richtigen Lehren aus den Erfahrungen des letzten Jahres", sagte Oettinger unser Zeitung. Die Regeln der Abkommen von Dublin und Schengen seien "Regeln für eine normale Nachbarschaft" gewesen, als es nur um jährlich einige Zehntausend Asylanträge gegangen sei. "Wegen des Kriegs in Syrien hat sich die Lage für die EU aber geändert. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich Europa vom Dublin- und auch vom Schengen-Abkommen verabschiedet."

Die Willkommenskultur sei zwar nicht grundsätzlich vorbei. "Wir werden weiter Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern bei uns haben, aber das Ziel muss sein, die große Flüchtlingszahl des letzten Jahres zu vermeiden", sagte Oettinger. "Wir brauchen eine weitere Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf 5000 bis 8000 Beamte", forderte Oettinger zudem.

"Echte Willkommenskultur ist nur dann möglich, wenn der ungeregelte Zuzug von Flüchtlingen umfassend unter Kontrolle ist und wir Asylsuchende aus dem Mittelmeerraum in einem geordneten Verfahren aufnehmen", sagte Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU). "Das EU-Türkei-Abkommen ist ein Modell für weitere Flüchtlingsabkommen mit den Ländern, aus denen die ungeregelte Migration kommt", sagte er. Das gelte vor allem für die Staaten Nordafrikas.

In der Debatte über eine Obergrenze für den Zuzug stellte sich Krings auf die Seite derer, die eine zahlenmäßige Begrenzung fordern. "Wir müssen beim Zuzug von Flüchtlingen über Zahlen sprechen. Es ist eine politische Entscheidung, wie hoch die Zahl von Migranten sein soll, die wir künftig in einem geregelten Aufnahmeverfahren pro Jahr etwa von Griechenland oder Italien übernehmen wollen", sagte Krings. Voraussetzung sei aber, dass in den südeuropäischen Ländern "das Dublin-Verfahren konsequent eingehalten wird und die Balkanroute komplett geschlossen ist".

(mar)
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