Räumung eines Flüchtlingscamps Im "Dschungel" von Calais

Calais/Athen · Tag zwei der Räumung des Flüchtlingslagers "Der Dschungel" am Rande der französischen Hafenstadt Calais: Rund zwei Dutzend Migranten stellten sich am Dienstag mit verzweifelten Aktionen der Auflösung entgegen. Auch in Griechenland wird die Lage immer dramatischer.

Die Räumkommandos rückten langsam weiter vor, um die Behausungen dem Erdboden gleichzumachen. Rund 4000 Migranten harrten dort bisher unter slumähnlichen Bedingungen in der Hoffnung aus, es über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu schaffen. Die britische Regierung lehnt ihre Aufnahme rigoros ab.

Angst vor einer Ablehnung in Großbritannien

Frankreich hat den Flüchtlingen angeboten, sie in beheizten Containern oder in Lagern unterzubringen, wo sie Asylanträge stellen könnten. Die Behörden werfen der Aktivistengruppe "No Borders" vor, den Widerstand gegen die Evakuierung des Lagers geschürt zu haben. Viele Migranten befürchten, keine Chance auf eine Aufnahme in Großbritannien mehr zu haben, wenn sie französische Hilfsangebote annehmen.

Nach Auseinandersetzungen am ersten Tag war es in der Nacht zu Dienstag nach Angaben der Präfektur weitgehend ruhiggeblieben. Die Regionalzeitung "La Voix du Nord" berichtete, dass am Dienstag erneut eine Hütte gebrannt habe, zwei Migranten seien festgenommen worden.

Am Montag war es nach zunächst ruhigem Beginn an einigen Stellen zu Auseinandersetzungen zwischen Migranten, Aktivisten und Polizeieinheiten gekommen. Protestierende hatten mehrere provisorische Bauten und Zelte angezündet. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm Aktivisten fest. Auseinandersetzungen gab es auch, als eine Gruppe von Migranten eine Straße blockierte und Fahrzeuge bewarf.

Betroffen sind rund 1000 Flüchtlinge

Die Präfektur in Calais geht davon aus, dass sich die Räumung längere Zeit hinzieht. Die Migranten sollen entweder in einem Containerlager in Calais oder in einem von gut 100 Aufnahme- und Orientierungszentren in anderen Regionen untergebracht werden. Betroffen sind nach offiziellen Angaben bis zu 1000 Flüchtlinge, die bisher im südlichen Teil des Lagers lebten. Hilfsorganisationen gehen aber davon aus, dass sich in dem betroffenen Bereich 3450 Menschen aufhalten.

"Calais und die griechische Grenzstadt Idomeni zeugen von der zunehmenden Verrohung der europäischen Flüchtlingspolitik. Wir dürfen nicht die Schotten dichtmachen und schutzsuchende Frauen, Männer und Kinder der Kälte und der Verzweiflung überlassen", sagte Grünen-Chefin Simone Peter unserer Redaktion. Die EU müsse den Flüchtlingen endlich sichere und geordnete Wege nach Europa eröffnen und Mitgliedstaaten wie Griechenland stärker bei der humanitären Versorgung der Flüchtlinge unterstützen.

Unterdessen wird die Lage der Flüchtlinge in Griechenland immer chaotischer. Rund 30.000 Menschen sitzen hier bereits fest. Besonders kritisch ist die Situation beim griechisch-mazedonischen Grenzübergang Idomeni. Hier warten etwa 8000 Menschen, darunter viele Familien mit Alten und Kindern, auf eine Öffnung der Grenze. Mazedonien lässt aber pro Tag nur einige Dutzend Wartende durch.

Etwa 100 Flüchtlinge forderten am Dienstag mit Sprechchören die Öffnung der Grenze. Am Vortag war es hier zu schweren Ausschreitungen gekommen. Mehrere Hundert Flüchtlinge hatten versucht, den Grenzzaun niederzureißen. Die mazedonische Polizei schoss daraufhin Blendgranaten und Tränengaskartuschen unter die Menschen.

Ein weiterer Brennpunkt ist die griechische Hafenstadt Piräus. Hier trafen gestern etwa 1000 Flüchtlinge mit Fährschiffen von den ostägäischen Inseln ein. Auf dem Hafengelände sind mittlerweile rund 5000 Menschen in Notunterkünften untergebracht. Hilfsorganisationen verteilen zwar Essen und Wasser, die Versorgung ist aber völlig unzureichend. Die Regierung wirkt total überfordert.

Nun plant man den Bau von weiteren sieben Lagern für etwa 20.000 Menschen südlich der Grenze. Nachdem Migrationsminister Ioannis Mouzalas bisher erklärt hatte, er rechne mit 50.000 bis 70.000 Flüchtlingen, geht man jetzt in Regierungskreisen davon aus, dass schon in Kürze mehr als 100.000 Menschen in Griechenland festsitzen werden. Für Unterbringung und Versorgung der Migranten hat Athen nach griechischen Medienberichten bei der EU Finanzhilfen von rund 470 Millionen Euro beantragt.

Die Flüchtlingskrise "übersteigt die Kräfte Griechenlands", sagte der griechische Premierminister Dienstag in einem Interview des Athener Fernsehsenders "Star TV". Alexis Tsipras verlangte eine gerechte Verteilung der Schutzsuchenden. "Wir erleben die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges", so der griechische Regierungschef. Jedes Land der EU müsse seinen Teil der Last tragen.

(höh/ap)
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