Flüchtlingspolitik EU-Innenminister beschließen schnellere Abschiebungen

Luxemburg · Angesichts des Flüchtlingsandrangs sucht Europa nach Lösungen. Jene, die Asyl bekommen, sollen unter den Staaten verteilt werden. Abgelehnte Bewerber will die EU dagegen schnell abschieben. Allerdings sollen auch weniger kommen - etwa über den Balkan.

Flüchtlinge stellen Deutschland vor organisatorische Herausforderung
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Foto: dpa, car pzi

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise wollen die EU-Staaten abgelehnte Asylbewerber und Wirtschaftsmigranten künftig schneller abschieben. Dies ist nach Ansicht der EU-Innenminister notwendig, um ausreichend Platz für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien zu haben. Die Minister beschlossen am Donnerstag in Luxemburg, die derzeitige Rückkehrquote von 40 Prozent zu steigern. "Höhere Rückkehrquoten sollten zur Abschreckung für die irreguläre Migration dienen", heißt es im Beschluss der Minister.

So soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex bei Abschiebungen helfen und schutzberechtigte Asylbewerber bald nach der Ankunft identifizieren. Dafür wird das Personal in den derzeit entstehenden Aufnahmezentren (Hotspots) in Italien und Griechenland verzehnfacht von 60 auf 670 Personen. Das sagte der für Migration zuständige luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.

Lesbos: Flüchtlinge erreichen Insel in Griechenland
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Flüchtlinge erreichen griechische Insel Lesbos

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Foto: dpa, fs sh

Die EU will auch Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern besser nutzen. Derzeit erlebt Europa den größten Flüchtlingszustrom seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Minister stimmten auch zu, rund 400 Millionen Euro aus dem EU-Budget für die Migration bereitzustellen.

Damit weniger Flüchtlinge nach Europa durchreisen, will die EU mit den Balkanstaaten kooperieren. Länder wie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Albanien, Montenegro und Kosovo sollen ihre Grenzen zu Europa stärker schützen.

Gleichzeitig sollen sie Migranten in ihrem Land besser unterbringen, Asylverfahren schneller abwickeln und falls nötig abgelehnte Bewerber abschieben. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung zur Westbalkan-Konferenz hervor, die im Anschluss an des Innenministertreffen stattfindet. Der Text lag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Luxemburg vor. Ziel ist auch, gegen Menschenschmuggler und illegale Einwanderung vorzugehen und eine politische Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien zu finden.

Polizei stoppt Flüchtlinge an slowenischer Grenze
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Am Abend (18 Uhr) wollten sich die Innen- und Außenminister der EU und der Westbalkanstaaten in Luxemburg treffen. Die Konferenz dreht sich um die deutlich wachsende Zahl von Migranten, die aus dem Nahen Osten über die Balkanroute nach Europa kommen. Dabei sind auch Länder mit vielen Flüchtlingen wie Türkei, Libanon und Jordanien vertreten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, Europa könne politisch verfolgten Flüchtlingen mit Anspruch auf Asyl nur dann Platz bieten, "wenn die Nicht-Schutzbedürftigen gar nicht erst kommen oder schnell zurückgeführt werden". Auf die Frage, ob dies in der Praxis nicht schwer umzusetzen sei, sagte der Minister: "Rückführung ist immer hart, das ist so." Die britische Innenministerin Theresa May sagte: "Wir müssen hart durchgreifen gegen die, die unser Asylsystem missbrauchen."

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte, Europa könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen: "Es sind 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, und da liegt es auf der Hand, dass Europa keine 60 Millionen Menschen aufnehmen kann, dass es hier eine Obergrenze geben muss."

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sagte, diesen Monat gebe es zehn Abschiebe-Flüge. Dies sei "gut, aber nicht genug". Asselborn hält Rückführungen für einen wichtigen Bestandteil der europäische Flüchtlingspolitik. Schengen und Migrationspolitik und Rückführungen seien "ein Ganzes, das ist ein Paket". Das Schengener Abkommen garantiert in Europa das Reisen ohne Grenzkontrollen.

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Minister de Maizière betonte die Bedeutung des Grenzschutzes für die Reisefreiheit in der EU: "Ein Europa ohne gesicherte Außengrenzen wird bald ein Europa voller interner Grenzkontrollen sein. Das wollen wir nicht."

Die sechs Balkanländer sollen auf der geplanten EU-Liste der sicheren Herkunftsländer stehen, in die die EU-Staaten Flüchtlinge leichter abschieben können. Umstritten ist aber nach wie vor, ob auch die Türkei auf die Liste kommen soll. De Maizière plädierte dafür, die Türkei als "sicheren Herkunftsstaat" einzustufen. "Ich persönlich wäre dafür", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga erinnerte hingegen an die hohe Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus der Türkei. Laut EU-Statistikbehörde Eurostat wurde 2014 mehr als jeder fünfte türkische Asylbewerber in der EU als Flüchtling und damit als Verfolgter anerkannt.

Die Minister sprachen auch über einen dauerhaften Mechanismus für die Verteilung von Flüchtlingen. Da dieser nach wie vor umstritten ist, kann er erst zu einem späteren Zeitpunkt beschlossen werden. Nach langen Debatten hatten sich die EU-Staaten im September vorerst auf die Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen geeinigt. Am Freitag sollen die ersten Flüchtlinge aus Italien verteilt werden, Zielland ist Schweden.

(dpa)
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