Balkan-Route Das berichten Flüchtlinge von ihrem Weg nach Europa

Brüssel · Die Rekorde bei den Flüchtlingszahlen stellen die Länder Europas vor große Herausforderungen. Bis die Betroffenen überhaupt in der EU ankommen, haben sie eine oft wochen-, wenn nicht sogar monatelange Flucht hinter sich. Was sie dabei mitunter erleiden müssen, das hat unter anderem Amnesty International dokumentiert.

 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in einem Zug in Serbien auf dem Weg in die EU.

Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan in einem Zug in Serbien auf dem Weg in die EU.

Foto: dpa, sdj lb

Sie haben Krieg, Verfolgung, Hunger erlitten und erhoffen sich eine bessere Zukunft in Europa. Und so entschließen sich insbesondere Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien oder dem Irak zur Flucht aus der Heimat. Oft über den Seeweg, wo tausende Menschen bereits ihr Leben lassen mussten, weil sie in untauglichen Schiffen versuchten, nach Europa zu gelangen.

Wer die Flucht übers Meer nicht wagt, versucht es auf dem Landweg von der Türkei und Griechenland aus über den Balkan nach Europa. Amnesty International hatte deshalb Anfang Juli die katastrophale Situation der Flüchtlinge auf diesem Transitweg angeprangert.

Tausende Menschen litten dort unter Missbrauch, Gewalt und Erpressung. Die Menschenrechtsorganisation hatte in diesem Zusammenhang den Bericht "Europas Grenzen" herausgegeben. Darin kommen auch von der Organisation interviewte Flüchtlinge zu Wort. Ihre Aussagen, die wir hier zum Teil wiedergeben wollen, zeigen, was die Betroffenen auf ihrer langen Reise mitunter erdulden müssen.

Warum sie überhaupt aus ihrer Heimat geflohen sind, dazu sind zu Beginn des Berichts Aussagen zu finden:

"Es waren überall Waffen (in Damaskus, Syrien). Wir hatten die Wahl zwischen zwei Dingen: Selbst eine Waffe in die Hand zu nehmen oder zu sterben. Wir wollten leben und gehen."

"Ich habe den Irak am 8. November 2014 verlassen. Ich hatte meine eigene Firma, aber angesichts all der Probleme mit den Mullahs und IS — ich bin Sunnit — entschloss ich mich zu gehen."

"Wir sind Jesiden, unsere Familie wurde bedroht, Frauen in der Familie wurden weggeholt und vergewaltigt. Männer aus unserer Familie wurden vom IS getötet. Wir haben den Irak vor einem Monat verlassen."

Andere berichten von ihrer Zeit in Griechenland.

"Ich ging im April 2014 nach Athen. (...) Ich versuchte 13 Mal in drei Monaten, nach Mazedonien zu kommen. Jedes Mal steckte uns die Polizei in Gruppen und schickte uns zurück zur Grenze. Einmal ging ich 190 Kilometer, bevor sie mich fanden. Sie fragten nie, ob ich Asyl will, sie wollten nur wissen, wer der Schmuggler war."

"Wir blieben vier Tage im Flüchtlingscamp. Dann gaben sie uns ein Papier und sagten, dass wir das Land innerhalb von sechs Monaten verlassen müssen. Aber das Gesetz sagt, wir können nicht legal das Land verlassen. Wir fragten die Richterin, wie wir legal gehen können. Sie sagte, sie könne das Gesetz nicht ändern."

Viele der Zeugenberichte stammen allerdings aus Mazedonien, Serbien oder Ungarn.

"Nach 15 Minuten stoppte die Polizei den Zug nach Serbien (...). Sie lachten und sagten uns, wir hätten fünf Minuten, um nach Griechenland zurückzukehren. Nicht ein einziges Mal fragten sie, ob wir Asyl beantragen wollen."

"In Mazedonien gingen wir in die Wälder, wir waren eine Gruppe von etwa 150 Leuten. Dann begann die mazedonische Polizei auf uns zu schießen, einer wurde ins Bein getroffen (...) Es war, als wäre ich noch in Syrien."

"In Belgrad gingen wir zur Polizei und sagten ihnen, wir kommen aus Syrien und dass wir in ein Flüchtlingslager wollten. Der Polizist sagte: 'Ich werde euch den Weg nach Europa zeigen. Geht nicht in das Camp.' Er sagte uns, wir sollten in die EU gehen und falls wir zurückkämen, würde er uns ins Gefängnis stecken."

"Die Polizei schlägt dich, wenn du um etwas bittest. Ich kannte die Regeln nicht, und wenn man einen Fehler macht, wird man verprügelt."

"Der große Schmuggler 'Ali Baba' traf uns und machte einen Deal. Zwei Schmuggler boten an, uns für 400 Euro nach Serbien zu bringen. Es dauerte zehn Stunden durch die Berge, die Schmuggler zeigten den Weg, dann verließen sie uns. Sie sagten, es würde ein Auto auf uns warten. Wir haben eine Stunde gewartet, aber da war kein Auto."

"Wir haben nichts mehr. Die Mafia in Mazedonien hat uns alles weggenommen. Es passiert in den Dörfern, nicht in den Städten. Neun Männer griffen uns mit Messern an. Danach gingen wir zur Polizei und baten um Hilfe (...) doch sie verhafteten uns."

(das)
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