Fehlendes Personal und Geld Europol — Minibehörde gegen Terror

Berlin · Nach jedem Terroranschlag in Europa ruft die Politik nach besserer länderüberschreitender Polizei-Zusammenarbeit. Doch die zu diesem Zweck aufgestellte Behörde leidet unter fehlendem Personal und Geld.

 Eine Innenansicht der Europol Zentrale in Den Haag.

Eine Innenansicht der Europol Zentrale in Den Haag.

Foto: dpa

Wenn die Terrorgefahr in Europa international wird, ist schnell von Europol die Rede. Die Datenabfrage bei der zentralen europäischen Polizeibehörde ist Routine. Als hochprofessionell wird die Stelle in Den Haag empfunden, wenn von dort jährlich über 18.000 länderübergreifende Ermittlungen gesteuert werden. Jüngst warnte Europol-Chef Rob Wainwright davor, dass bis zu 5000 EU-Bürger potenzielle Terroristen seien, und verwies auf Syrien-Rückkehrer. Die aktuelle Europol-Liste mit gefährlichen Personen in Europa, die Anschläge wie in Paris begehen könnten, umfasse rund 2500 Namen.

Das klingt einerseits bedrohlich, andererseits beruhigend. So, als habe Europol das wachsende Terror-Problem schon irgendwie im Griff. Mit einem schlagkräftigen "europäischen FBI" liebäugelten die Politiker, als sie die europäische Polizeibehörde auf den Weg brachten. Stimmt der Vergleich? Das US-Bundesamt für Ermittlungen kann angesichts von 321 Millionen Amerikanern auf 36.000 FBI-Mitarbeiter zurückgreifen. Wie viele mögen dann in Den Haag für die Sicherheit von 508 Millionen Europäern verantwortlich sein? 912 sind es ausweislich der aktuellen Personalübersicht.

Es versteht sich, dass Europol mit dieser Besetzung keine großen Sprünge machen kann, zumal darin auch schon 185 Verbindungsbeamte und weitere Kontaktpersonen enthalten sind. Zum Vergleich: Allein das deutsche Bundeskriminalamt, das bundesländerübergreifende Aufgaben wahrnimmt, kommt auf rund 5500 Mitarbeiter und hat ein Budget von rund 400 Millionen Euro. Nach kontinuierlichen Steigerungen hofft Europol, in diesem Jahr erstmals mehr als 100 Millionen zur Verfügung zu haben.

"Europol arbeitet hochprofessionell", weiß Innen-Staatssekretär Günter Krings nicht erst seit seinem Besuch in Den Haag. Die Zahl der Mitarbeiter habe aber bislang weder mit dem gewachsenen Umfang seiner Aufgaben noch mit den gestiegenen Herausforderungen für die Sicherheit Schritt gehalten. "Eine personelle Stärkung von Europol ist daher dringend erforderlich", erklärt der CDU-Innenexperte.

Diese Einsicht teilen viele, die in Europa für die innere Sicherheit Verantwortung tragen. Vor allem, wenn die Lehren aus Fahndungspannen zu ziehen sind. Wenn etwa der dringend als mutmaßlicher Terrorist gesuchte Salah Abdeslam auf dem Weg von Paris nach Brüssel offenbar gleich durch drei Polizeikontrollen unentdeckt hindurchschlüpfen konnte, erfolgen reflexhaft die Rufe nach besserer europäischer Zusammenarbeit.

Doch noch spielen unterentwickelte Polizeikoordination und höchst unterschiedliche Fahndungskulturen dem international aufgestellten islamistischen Terror in die Hände. Schon die Geburt von Europol kam nur zustande, weil EU-Staaten zugleich freigestellt wurde, die Mitarbeit auch zu verweigern. Welche Daten in Den Haag zur Verfügung stehen, entscheiden allein die Mitgliedsländer.

Von Geheimdienstinformationen zur terroristischen Bedrohungslage ist Europol weitgehend abgeschnitten. Und typische Polizeifunktionen wie Fahndung, Kontrolle oder gar Festnahmen sind den Europol-Beamten ohnehin untersagt. Überspitzt ließe sich das auf die Formel bringen, dass eine Behörde, die weder Ahnung noch Information hat, den Kampf gegen den Islamischen Staat nicht gewinnen kann.

Für diese denkbar schlechten Rahmenbedingungen liefert Europol jedoch erstaunlich scharfe Analysen über die Terrorlage in jedem einzelnen Mitgliedsland und Steckbriefe zu jedem einzelnen Verdächtigen. Voll des Lobes sind Innenexperten zudem über die in Den Haag zum Standard gehörenden modernsten Methoden kriminalistischer Analyse. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das neue Anti-Terror-Zentrum, das Europol Anfang des Jahres in Betrieb genommen hat. Hier sammelt eine zwar übersichtliche, aber sehr spezialisierte Schar von Mitarbeitern alles über die Finanzströme des internationalen Terrorismus, über Dschihad-Rückkehrer und nicht zuletzt über den Weg terroristischer Waffen.

Anschläge in Paris: Die blutige Spur des Terrors
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Tatort Paris – die blutige Spur des Terrors

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Foto: afp, le

Weil der europäische Informationsaustausch im Bereich der Terrorabwehr nach den Worten von Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic "derzeit gewaltig stockt", sei die gemeinsame Plattform zur Terrorismusbekämpfung "sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung". Doch niemand tue Europol einen Gefallen, wenn er die Ansprüche zu hoch schraube. Nur wenn die Mitgliedstaaten in Sachen Informationsaustausch an einem Strang zögen, habe die Europol-Terrorabwehr wirklich Sinn.

SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sieht in einem "vernünftigen Datenaustausch" einen ersten Schritt, die "derzeitigen Sicherheitslücken" in der sogenannten Zusammenarbeit der europäischen Sicherheitsbehörden zu schließen. "Ziel muss es sein, nach und nach ein gemeinsames europäisches Terrorabwehrzentrum nach dem guten deutschen Vorbild aufzubauen", unterstreicht Lischka.

Doch bekommen deutsche Politiker Probleme mit der Vorstellung, in die Europol-Datenbanken könnten Geheimdienst-Informationen größeren Stils einfließen. Eine Reihe vorwiegend osteuropäischer Behörden wird intern nicht als hundertprozentig verlässlich etwa in Abgrenzung zur organisierten Kriminalität angesehen. Auch für Austausch auf diesem Feld ist die Den Haager Behörde aufgestellt worden.

Um dieses Misstrauen zu überwinden, gehen Überlegungen von Europa-Abgeordneten nun dahin, Europol eigene Rechte und die Möglichkeit zu eigener grenzüberschreitender gezielter (Terror-)Fahndung zu geben. Das jedoch müssten erst die Staats- und Regierungschefs beschließen und dann die Innenminister organisieren. Also dieselben, die jetzt schon mauern.

(may-)
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