Umstrittene Anleihekäufe Europäische Zentralbank vor Gericht

Berlin/Düsseldorf · Das Bundesverfassungsgericht am Dienstag heute erneut zu einer mündlichen Verhandlung über die umstrittenen Anleihekäufe der Notenbank ein. Der Europäische Gerichtshof hatte der EZB grünes Licht gegeben. Wie verhält sich dazu Karlsruhe?

Europäische Zentralbank wegen Anleihekäufen vor Gericht
Foto: Ferl

In einer mündlichen Anhörung vor dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts geht es an diesem Dienstag erneut darum, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar war, dass die Europäische Zentralbank (EZB) 2012 auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise ein Programm zum notfalls unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen verkündet hat. Das Urteil ist erst in einigen Monaten zu erwarten, doch die Verhandlung heute wird bereits dessen Richtung anzeigen.

Verbot der Staatsfinanzierung

Das EZB-Programm namens OMT wurde zwar nie in die Tat umgesetzt, weil schon die Ankündigung genügte, um den Euro zu stabilisieren. Dennoch hatte die Ankündigung vor allem in Deutschland heftige Kritik und Tausende Klagen von Bürgern ausgelöst. Der Vorwurf lautet, dass die EZB ihr Mandat überzieht und das Verbot der Staatsfinanzierung bricht. Die Bundesrepublik hält gut ein Viertel der Anteile des EZB-Kapitals. Entsprechend würde der deutsche Steuerzahler für ein Viertel der Verluste haften, sollte die EZB jemals zahlungsunfähig werden.

Dies ist schwer vorstellbar. Dennoch muss das Gericht prüfen, ob der von politischen Weisungen unabhängige EZB-Rat, in dem die nationalen Notenbankgouverneure sitzen, über eine Haftungssumme für Steuerzahler in Billionenhöhe entscheiden darf - oder ob er damit gegen EU-Verträge und somit gegen die deutsche Verfassung verstößt. Die Verfassungsrichter hatten sich 2013 in einer ersten mündlichen Verhandlung damit befasst. Anfang 2014 hatten sie überraschend entschieden, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorzulegen, nicht ohne eigene Bedingungen zu nennen, die erfüllt sein müssten, damit OMT mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

Blick nach Karlsruhe

Der EuGH gab der EZB jedoch in seinem Urteil Mitte 2015 einen Freifahrtschein. Die Frage ist nun, wie Karlsruhe darauf reagiert. "Das Verfassungsgericht hat zu entscheiden, ob es sich einem EuGH-Beschluss unterwirft, der krasse Rechtsfehler enthält und die EZB von jeglicher rechtlichen Kontrolle freistellt", sagte der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber. Denkbar wäre, dass Karlsruhe die Bundesregierung oder die Bundesbank verpflichtet, sich darum zu bemühen, dass das OMT nicht umgesetzt wird.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, einer der Kläger, ist zuversichtlich, in Karlsruhe zu gewinnen. "Ich gehe davon aus, dass der Zweite Senat seinem Vorlagebeschluss von Anfang 2014 treu bleibt. Demnach überschreitet die EZB mit dem OMT-Programm ihre Kompetenzen. Sie greift in die Souveränität der Euro-Staaten ein und verstößt gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung", sagte Gauweiler unserer Zeitung. "In Karlsruhe wird über nichts weniger entschieden als die Zukunft der deutschen Demokratie: Bestimmt der EZB-Rat oder der Bundestag, ob und wie der deutsche Steuerzahler für Milliarden-Geschäfte der EZB haften muss?", fragt Gauweiler. Über die Geltung des Grundgesetzes könne nur das Verfassungsgericht entscheiden.

1,14 Billionen Euro

Praktische Bedeutung hat die Entscheidung, weil sie indirekt die aktuelle EZB-Politik beeinflussen könnte. Im März 2015 hatte die Notenbank ein anderes Anleihe-Kaufprogramm im Umfang von 1,14 Billionen Euro gestartet. Jeden Monat kauft sie den Banken und anderen Investoren noch bis zum September Staatsanleihen und andere öffentliche Wertpapiere im Wert von 60 Milliarden Euro ab. Ihr Ziel: die Realzinsen zu senken und die Deflationsgefahr zu bekämpfen. Ein negatives Urteil aus Karlsruhe könnte die Unruhe an den Finanzmärkten steigern, denn dann könnte das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der EZB leiden.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort