Gastbeitrag Eine starke EU braucht einen starken Euro

Düsseldorf · Die Debatte über Reformen der Europäischen Union gewinnt an Fahrt. Die EU-Kommission hat nun ein 40 Seiten starkes Ideenpapier zur Reform der Eurozone vorgelegt. Dazu ein Gastbeitrag von Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission.

 Euro-Münzen fallen auf eine Europafahne (Symbolbild).

Euro-Münzen fallen auf eine Europafahne (Symbolbild).

Foto: dpa

Wir stehen vor großen Herausforderungen: Wie soll es mit Europa weitergehen? Und wie mit unserer gemeinsamen Währung, dem Euro? Dazu haben wir von der Europäischen Kommission eine breit angelegte Debatte angestoßen.

Tatsache ist: Durch die wirtschaftliche und währungspolitische Integration sind wir im Laufe der Jahre stärker geworden. Heutzutage ist der Euro die Währung von 340 Millionen Europäerinnen und Europäern in 19 Ländern. Er ist die am zweithäufigsten genutzte Währung weltweit. Der Euro hat eine Stabilisierung der Preise bewirkt und ist für die Mehrzahl der Europäer zu einem Stück Alltag geworden.

Aber die Finanzkrise, die zwar an anderer Stelle ausbrach und andere Ursachen hat, brachte die Schwachstellen bei der Konzeption der Währungsunion verstärkt zum Vorschein. Die in vielen Mitgliedstaaten anhaltende soziale Krise hat das Vertrauen in den Euro untergraben.

Seit Beginn der Krise wurden zwar wichtige Reformen durchgeführt, mit denen einige der Lücken und Mängel am Konstrukt des Euro angegangen wurden, doch sind wir noch ein Stück von einer vollständigen und widerstandsfähigen Wirtschafts- und Währungsunion entfernt. Um einen breiten politischen Konsens für den Euro zu erreichen, müssen wir eine neue Debatte anstoßen. Dazu legen wir heute ein Reflexionspapier vor.

Einige Grundprinzipien sind nicht verhandelbar. Die Eindämmung von Systemrisiken und deren breitere Streuung müssen Hand in Hand gehen. Der Euro sollte weiterhin allen EU-Ländern offenstehen, sodass eine weitere Integration der Mitglieder die Einheit des Binnenmarkts nicht gefährdet.

Darüber hinaus müssen wir die Transparenz und die demokratische Rechenschaftspflicht bei der Beschlussfassung weiter stärken. Ausgehend von diesen Grundsätzen schlagen wir Optionen vor für einige Bereiche, in denen kurz- und längerfristige Maßnahmen getroffen werden sollten.

Klar ist: Ein voll integriertes und sicheres Finanzsystem ist von entscheidender Bedeutung. Die Bankenaufsicht und die Bestimmungen und Mechanismen für den Umgang mit Banken in Schieflage haben wir bereits verbessert. Darauf aufbauend müssen wir die Bankenunion durch weitere Maßnahmen zur Risikominderung vollenden.

Hierzu zählen u. a. die kürzlich vorgeschlagenen Rechtsvorschriften, eine Strategie zum Abbau notleidender Kredite, ein Europäisches Einlagenversicherungssystem und eine Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds.

Parallel dazu müssen wir die Kapitalmarktunion energischer vorantreiben, denn sie wird unseren Unternehmen zusätzliche Finanzmittel verschaffen und zu einer Risikoteilung über den privaten Sektor beitragen.

Eine stärker integrierte Wirtschafts- und Fiskalunion könnte bestimmte Elemente der europäischen wirtschaftspolitischen Koordinierung stärken und sicherstellen, dass alle Länder die für ein wirksames Wachstum erforderlichen Reformen durchführen. Sie könnte auch eine verbesserte finanzielle Unterstützung von Strukturreformen aus dem EU-Haushalt vorsehen.

Eine makroökonomische Stabilisierungsfunktion für das Euro-Währungsgebiet könnte Länder unterstützen, die von einem wirtschaftlichen Schock getroffen werden, den sie aus eigener Kraft nicht bewältigen können.

Eine derartige Stabilisierungsfunktion könnte verschiedene Formen annehmen, zum Beispiel die einer europäischen Investitionsschutzregelung, mit deren Hilfe die Investitionstätigkeit in Zeiten knapper nationaler Finanzen fortgesetzt werden kann.

Die gewählte Option darf weder zu dauerhaften Transferleistungen zwischen den Ländern bzw. zu rein einseitigen Transferleistungen führen, noch die Anreize für eine solide Haushaltspolitik auf nationaler Ebene untergraben.

Schließlich müssen wir unsere politischen Prozesse weiter anpassen. Eine weitere wirtschaftliche Integration geht mit einer politischen Integration einher. So arbeiten wir auf allen Ebenen immer enger mit dem Europäischen Parlament, mit nationalen Regierungen und Parlamenten und mit den Sozialpartnern und Interessenträgern zusammen.

Die gemeinsame Währung ist eine der greifbarsten Errungenschaften Europas. Sie ist viel mehr als nur ein Währungsprojekt. Sie ist ein Wohlstandsversprechen. Um dieses Versprechen für künftige Generationen einzulösen, brauchen wir den Mut, uns jetzt für die Vollendung dieses Projekts einzusetzen.

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