Fragen und Antworten zum EU-Gipfel Was Merkel erreicht hat — und was nicht

Brüssel · Kanzlerin Merkel hatte die Erwartungen an den EU-Gipfel schon im Vorfeld gedämpft, große Beschlüsse standen nicht auf der Tagesordnung. Trotzdem gab es rund um das Treffen in der Flüchtlingskrise wieder Rückschläge für Merkel - und das kurz vor den Landtagswahlen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss weiter auf Fortschritte in der Flüchtlingsebatte warten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss weiter auf Fortschritte in der Flüchtlingsebatte warten.

Foto: afp, ed

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dem Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs in Brüssel schon vorher nur die Bedeutung eines Zwischenschritts zugemessen. Es standen auch keine großen Beschlüsse auf der Tagesordnung. Dennoch verlangen Kritiker, Merkel müsse liefern, um die schlechte Stimmung im Land wieder zu drehen. Über Zwischenschritte, Fortschritte und Rückschritte.

Sie hatte versucht, die Erwartungen herunterzuschrauben. Wie bei der Euro-Krise und der Griechenland-Krise gibt es für sie auch in der Flüchtlingskrise keinen Schalter zum Ausknipsen. Krisenbewältigung brauche Zeit, mahnt sie. Ihren Wunsch nach Flüchtlingskontingenten für alle EU-Staaten kassierte sie für diesen Gipfel erst einmal ein, weil es nicht den Hauch von Zugeständnissen gab. Aber wenigstens Solidarität einer kleinen Koalition der Willigen hatte sie erhofft.

Und, dass die EU sich zu ihrem Ende November beschlossenen Aktionsplan mit der Türkei bekennt. Die Türkei ist für Merkel der Schlüssel zur Reduzierung der Flüchtlingszahl.

Erst einmal Rückschläge. Das befreundete Österreich verkündete kurz vor dem Gipfel eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen und erklärt die Koalition der Willigen für tot; auch Frankreich geht vor dem Treffen auf Distanz zu Deutschland. Die in Brüssel geplanten Gespräche des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu mit dem Club der Willigen, zu denen Wien und Paris eigentlich gezählt werden, fand nicht statt. Davutoglu sagte es - für Merkel verständlich - wegen des Attentats in Ankara ab. Österreich kippte es dann ganz.

Doch, aber nur minimal. Nach heftiger nächtlicher Debatte einigte sich der Gipfel auf ein erneutes Sondertreffen des gesamten Rates mit der Türkei Anfang März. Zumindest hat Merkel so noch eine Chance, vor den drei Landtagswahlen am 13. März ein Signal zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen zu setzen.

Nach ihrer Grenzöffnung für syrische Flüchtlinge im September verfolgte sie diesen Plan: Keine Obergrenze in Deutschland, dafür Kontingente für alle EU-Mitgliedsländer. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Europa nicht nur punktuelle Umverteilungen, sondern vielmehr ein dauerhaftes Verfahren für eine faire Verteilung von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaaten braucht", sagte sie in einer Regierungserklärung am 24. September 2015. Ferner pochte sie auf die Bekämpfung der Fluchtursachen und den Schutz der EU-Außengrenzen.

Innerhalb von zwei Jahren sollen Griechenland und Italien 160.000 Flüchtlinge abgenommen werden. Ferner sollen mit einem EU-Türkei- Aktionsplan die EU-Außengrenze geschützt und illegale Migration gestoppt werden. Dafür soll Ankara drei Milliarden Euro für die Versorgung der von ihr selbst aufgenommenen 2,6 Millionen syrischen Flüchtlinge bekommen.

Ein unter deutscher Führung stehender Nato- Marineverband soll in der Ägäis Aufklärungsergebnisse zur Bekämpfung von Schleusern liefern und Flüchtlinge aus Seenot retten - diese aber in die Türkei zurückbringen. Die internationale Gemeinschaft will rund 11 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung von Fluchtursachen geben. Sie hatte zuvor etwa mit der Kürzung von zugesagten Mitteln für das Welternährungsprogramm die Flüchtlingskrise selbst verschärft.

Eher im Gegenteil. Der Zusammenhalt ist in Gefahr. Der EU-Türkei-Aktionsplan kommt bisher nicht in Gang. In der EU wird beklagt, die Flüchtlinge würden nicht weniger. Ankara sagt, es sei noch kein Geld geflossen. Nach Angaben von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat die EU auch Syrien und dem Libanon nicht einmal die Hälfte zugesagter Mittel gezahlt.

Und die schon lange beschlossene Umverteilung von 160 000 Flüchtlingen funktioniert nicht: Bislang wurden nicht einmal 600 Menschen von anderen EU-Staaten aufgenommen. Osteuropäische Staaten schotten sich ab, wollen lieber Zäune bauen als Flüchtlinge aufnehmen. Die Grenzfreiheit im Schengen-Raum ist gefährdet.

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Solange der Krieg in Syrien tobt, werden die Menschen weiter fliehen. Die irakische Regierung will die Terrormiliz Islamischer Staat bezwingen und plant etwa eine Offensive in Mossul. Auch das kann eine neue Fluchtbewegung auslösen. Dürre und Hunger werden immer mehr Menschen aus afrikanischen Staaten vertreiben. Und der Kurdenkonflikt in der Türkei droht zu eskalieren.

(hebu/dpa)
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