Athens Bankrott nimmt Gestalt an Die Pleite will gut organisiert sein

Düsseldorf (RPO). Derzeit scheint Griechenland verloren. Zu hoch die Verschuldung, zu tief die Wirtschaftskrise, zu unfähig die politische Führung. Das Pleite-Szenario nimmt Gestalt an. Immer wieder ist die eine Warnung zu hören: Bloß keine unkontrollierte Insolvenz. Fest steht aber auch: Selbst bei einer geordneten Pleite würden die Schockwellen vor allem die Banken treffen.

 Griechenlands wichtigste Politiker, Ministerpräsident Papandreou und Finanzminister Venizelos, können noch bis zum Oktober Renten und Gehälter finanzieren.

Griechenlands wichtigste Politiker, Ministerpräsident Papandreou und Finanzminister Venizelos, können noch bis zum Oktober Renten und Gehälter finanzieren.

Foto: AP, AP

FDP-Chef Philipp Rösler hat wegen seiner Äußerungen zu Griechenland eine Menge Prügel bezogen. Der Vizekanzler hatte als erstes Mitglied der Bundesregierung offen von einer möglichen Pleite der Hellenen gesprochen. Der Dax und der Euro gerieten unter Druck, viele Experten und Nichtexperten machten Rösler dafür verantwortlich und werteten sein Verhalten als fahrlässig.

Doch Rösler hat nur das ausgesprochen, was in Finanzkreisen und wohl auch in der Bundesregierung längst als ausgemachte Sache gilt: Athen ist ohne einen Schuldenschnitt nicht mehr zu retten. Längst geht es nur noch darum, im Kampf gegen die Schuldenkrise den Euro als gemeinsame Währung am Leben zu erhalten. Rösler hat nicht leichtfertig von einer Pleite gefaselt, als er das Unwort der Insolvenz in den Mund nahm. Rösler sprach von möglichen Schritten zur Stabilisierung des Euros.

Auch Merkel geht es um den Euro

Kanzlerin Merkel ist daraufhin auf Distanz zu ihrem Vizekanzler gegangen und hat abermals eine Art Ehrenerklärung abgegeben. Allerdings weniger im Hinblick auf den griechischen Haushalt als die Eurozone. Sie will nach eigenen Worten eine unkontrollierte Insolvenz Griechenlands vermeiden. Es müsse alles daran gesetzt werden, den Euro-Raum politisch zusammenzuhalten, um Dominoeffekte auszuschließen, sagte Merkel am Dienstag im rbb-Inforadio. Zwischen den Zeilen ist herauszuhören: die Pleite Griechenlands ist längst nicht mehr ein Tabu, sie soll lediglich "geordnet" ablaufen.

Es geht darum, die Kontrolle über die Ereignisse zu behalten. Man könnte auch sagen: die Kontrolle erst wiederherzustellen. Geordnete Pleite, das hieße Griechenland nicht unvorbereitet in die Zahlungsunfähigkeit stürzen zu lassen. Es käme zu einem Schuldenschnitt: Griechenland würde seine Kredite nur noch zu einem bestimmten Anteil von beispielsweise 50 Prozent bedienen. Griechenland hätte wieder Luft zum Atmen und müsste sich nicht tiefer in die Krise sparen.

Die flankierte Pleite

Geordnete Pleite - ein solcher Schritt will sorgfältig vorbereitet sein. Denn selbstverständlich würde eine Insolvenz-Erklärung Athens die Finanzmärkte ebenso erschüttern wie die Eurozone. Hier kommt der geplante neue Rettungsschirm EFSF ins Spiel. Der nämlich wäre in der Lage, die Auswirkungen der griechischen Pleite mit Hilfsaktionen zu dämpfen.

Hilfe gebrauchen können vor allem drei Gruppen von Akteuren. Zum einen gefährdete Staaten wie Portugal, Spanien, Irland oder Italien. Sie müssten sich darauf einstellen, dass die Finanzmärkte austesten werden, ob sie nicht ebenfalls pleitegefährdet sind. Stützungskäufe durch den Rettungsfonds wären wohl in der Lage, Schlimmeres zu verhindern. Der EFSF-Schirm dürfte vorbeugende Kreditlinien an gefährdete Staaten vergeben, die im Visier der Märkte stehen.

An zweiter Stelle stünden die EU-Regierungen und damit auch der Steuerzahler. Sie müssten zumindest auf einen Teil der Rückzahlungen für die milliardenschweren Hilfskredite an Athen verzichten.

In den Banken schlummert die nächste Krise

Die dritte betroffene Gruppe wären die Banken. Sie haben das bereits am Montag auf schmerzhafte Weise zu spüren bekommen. Beim Absturz an der Börse waren sie die Hauptdarsteller, denn sie haben Milliarden in Griechenland investiert. Eine Pleite würde reale Verluste mit sich bringen. Geschäftsbanken oder Versicherer, die in griechische Staatsanleihen investiert haben, müssten ihre Papiere abschreiben.

Betroffen wären vor allem die Europäische Zentralbank sowie französische Geschäftsbanken. Die EZB müsste die aufgekauften Staatsanleihen als Verlust verbuchen, In Zahlen: 130 Milliarden Euro hat sie bereits in verschuldete Staaten investiert. Wie viel davon in griechischen Anleihen steckt, ist nicht bekannt.
Auch Frankreichs Banken sind sehr eng in die Schuldenkrise verstrickt. Den Instituten macht ihr großes Engagement in griechischen Anleihen zu schaffen.

Auswirkungen auf ganz Europa

Die Aktien französischer Großbanken brachen am Montag um bis zu 14 Prozent ein, in Frankreich hat bereits eine Debatte über eine Teilverstaatlichung der Institute begonnen, weil eine griechische Pleite sie austrocknen würde.
Finanzminister Francois Baroin betonte eiligst, die Institute könnten mit der Krise fertig werden.

Anders die Einschätzung bei der Rating-Agentur Moody's. "Wenn sich die Situation verschlimmert, könnte der französische Staat zu einer Intervention gezwungen werden, um einen Zusammenbruch zu vermeiden," heißt es. Das aber hätte Auswirkungen auf ganz Europa. Eine Pleite Griechenlands wäre "furchtbar" für viele europäische Banken. "Ein brutaler Fall der Aktienkurse, Bedarf an frischem Kapital und an Liquidität wären die Folge", heißt es bei Moody's.

Noch ein Dominoeffekt

Auch deutsche Banken wären betroffen. Ende 2010 hielten sie nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit 22,7 Milliarden Dollar (15,6 Milliarden Euro) die meisten griechischen Staatsanleihen unter den internationalen Banken. In Finanzkreisen sind das keine allzu großen Summen. Mehr Sorgen bereitet hingegen etwas anderes, das stark an die Bankenkrise 2008 erinnert: Da keiner genau weiß, mit welchen Summen welches Institut genau in Griechenland drinsteckt, würden sich die Banken untereinander misstrauen und im schlimmsten Fall kein Geld mehr leihen. Das aber könnte Auslöser einer zweiten Finanzkrise werden.

Auch darum ist es wohl kein Zufall, dass der neue Rettungsschirm EFSF Mittel zur Stabilisierung von Banken vergeben darf. Für neue Rettungspakete zugunsten der Finanzinstitute hätten die Wähler in Deutschland und anderen europäischen Ländern sicherlich kaum Verständnis.

Mit Material von Reuters

(rm)
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