Der EU-Parlamentspräsident und die Freiheit im Netz Der doppelte Martin Schulz

Brüssel · Auf die Freiheit im Netz legt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) doch keinen so großen Wert, wie es sein Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vermuten lässt. Dort hatte er am Donnerstag weniger Kontrolle im Netz gefordert. Sein Abstimmungsverhalten in Brüssel spricht aber eine andere Sprache.

 Martin Schulz führt die SPD in die Europawahl.

Martin Schulz führt die SPD in die Europawahl.

Foto: afp, ph/MS

Seit 2012 ist Schulz Präsident des EU-Parlaments, im Mai wird er als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Europawahl antreten. In seinem Gastbeitrag "Warum wir jetzt kämpfen müssen" warnt er vor "einer gefährlichen Verbindung von neoliberaler und autoritärer Ideologie". Das Internet sei dazu fähig, den "gläsernen Konsumbürger" zum neuen "Archetyp des Menschen" zu machen. Er fordert deshalb eine Bewegung, die die Privatsphäre als "unveräußerliches Grundrecht" sichert und Europa aus der "Abhängigkeit der heutigen digitalen Großmächte befreit".

Im Gegensatz dazu steht aber, wie Schulz bei Fragen zur Datensicherung im EU-Parlament abgestimmt hat. Häufig nimmt er gar nicht teil, 2010 stimmte er sogar für das Swift-Abkommen. Dieses regelt die Übermittlung von europäischen Bankdaten an die amerikanischen Behörden. Als das Abkommen im vergangenen Jahr als Konsequenz aus der Spähaffäre um die NSA ausgesetzt werden sollte, nahm Schulz an der Abstimmung nicht teil.

In der Fernsehtalkshow "3 vor 9" sagte er im Mai letzten Jahres, er sei "maßgeblich an der Ablehnung des Acta-Abkommens beteiligt" gewesen. Laut Amnesty International hätte das Abkommen im Kampf gegen Produktpiraterie unter anderem das Privatleben, die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit eingeschränkt. Es wurde im Juli 2012 in Brüssel abgelehnt. Schulz stimmte nicht mit ab.

Passend dazu wird die SPD als Teil der Bundesregierung aller Voraussicht nach die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Diese erlaubt es, Telefonate, Internetverbindungen und die Bewegungen von Mobiltelefonen auch ohne konkreten Anlass monatelang zu speichern. Nur aufgrund eines Vorstoßes von Justizminister Heiko Maas (SPD) liegt diese im Moment noch auf Eis. Schulz verschweigt diesen Aspekt in seinem Gastbeitrag.

(RP)
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