Online-Petition Briten fordern Neuabstimmung über Brexit

London · Mehr als anderthalb Millionen Briten haben bis Samstagnachmittag eine Petition für ein zweites Referendum über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union unterzeichnet.

 Proteste gegen den Ausgang des Brexit-Referendums in London.

Proteste gegen den Ausgang des Brexit-Referendums in London.

Foto: afp, os

Dies waren weit mehr, als für eine Befassung des Unterhauses mit der Petition notwendig waren. Unter dem Ansturm der Unterzeichner brach die Internetseite des Parlaments vorübergehend zusammen.

"Wir, die Unterzeichner, rufen die Regierung ihrer Majestät an, eine Regel anzuwenden, wonach es ein weiteres Referendum geben sollte, wenn das Remain- oder Leave-Votum unter 60 Prozent bei einer Beteiligung von unter 75 Prozent liegt", heißt es in der Petition.

Bei dem Referendum am Donnerstag hatte sich eine Mehrheit von 51,9 Prozent der Wähler für den Austritt Großbritanniens aus der EU ausgesprochen, 48,1 Prozent stimmten für den Verbleib. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,2 Prozent. Bei einer Anwendung der von den Unterzeichnern beantragten Regel müsste ein zweites Votum abgehalten werden. Das britische Gesetz sieht bei Referenden kein Mindestmaß für die Wahlbeteiligung oder den Stimmenanteil vor wie in einigen anderen Ländern.

Der Petitionsausschuss, der darüber entscheidet, ob Petitionen im Parlament diskutiert werden, tagt das nächste Mal am kommenden Dienstag. Bereits wenn eine Petition mehr als 100.000 Unterschriften erreicht, muss sich die Regierung dazu äußern. Bisher gab es dazu noch keine Stellungnahme von Premierminister David Cameron.

Eine Debatte über die Petition im Parlament zieht aber keine Entscheidung oder Abstimmung nach sich; sie stellt auch nicht den Brexit-Beschluss der Briten vom Donnerstag in Frage.

John Curtice, Politikprofessor an der University of Strathclyde im schottischen Glasgow, sagte, es könne zwei Jahre lang dauern, bis der konservative Ex-Bürgermeister von London und Anführer des Brexit-Lagers, Boris Johnson, seinen Parteifreund David Cameron im Amt des Premierministers beerbe. Dann könne eine Situation entstehen, in der die Opposition nach einer Parlamentswahl das Mandat für ein zweites Referendum mit einer Möglichkeit für den Verbleib erhalten könnte.

Eine Karte der Unterzeichner der Petition zeigte, dass die meisten Unterstützer aus großen Städten wie London und Edinburgh kamen. In beiden Städten hatte es beim Referendum am Donnerstag eine deutlicher Mehrheit für "Remain" (Verbleib) gegeben.

Bei dem Volksentscheid war die Abstimmung je nach Alter, Region und Bildung sehr unterschiedlich ausgefallen. Der Austritt wurde nicht zuletzt mit den Stimmen der Älteren entschieden - obwohl dessen Folgen vor allem die Jungen betreffen. Während England und Wales mehrheitlich für den Brexit votierten, befürworteten Schottland, Nordirland und die Hauptstadt London den Verbleib in der EU.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort