Regierungserklärung zum Brexit-Votum Merkels Klartext für London

Meinung | Berlin · Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung deutlich gemacht, dass sie gegen britische "Rosinenpickerei" ist. Das ist richtig und wichtig. Denn eine EU-Mitgliedschaft muss sich sichtbar für alle von einer Nicht-Mitgliedschaft unterscheiden. Nun bleibt zu hoffen, dass die EU insgesamt diese Linie auch durchhält.

 Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag.

Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag.

Foto: dpa, pgr

Am Tag fünf nach dem Brexit-Votum hat sich die Kanzlerin im Bundestag vorsichtig, abwägend, illusionslos präsentiert. Der EU-Austritt Großbritanniens werde kommen, fragt sich nur wie und wann. An London richtete Angela Merkel im Vorfeld des EU-Gipfels zwei zentrale Botschaften: Erstens werde es vor einem EU-Austrittsantrag keinerlei vorgelagerte Verhandlungen geben. Zweitens werde es für Großbritannien "keine Rosinenpickerei" geben können, wenn über das künftige Verhältnis zur EU verhandelt wird.

Angela Merkel fährt auf Sicht, alles andere wäre auch eine Überraschung. Den Austritt eines Mitglieds aus der EU hat es noch nie gegeben, die Gemeinschaft betritt Neuland. Die Bundesregierung musste auf das Brexit-Votum eingestellt sein. Doch die Vorstellung, diese Situation könne mit einem Plan B einfach bewältigt werden, ist realitätsfern.

Merkels oberstes Ziel ist es nun zu verhindern, dass der Brexit den Anfang vom Ende der EU markiert. Die Fliehkräfte nehmen zu, in vielen EU-Ländern werden nationalistische und rechtspopulistische Kräfte noch stärker. Jetzt kommt es Merkel darauf an, die Rest-Gemeinschaft der 27 beisammen zu halten. Das vom deutschen Außenminister organisierte Treffen nur der EU-Gründungsstaaten am vergangenen Wochenende wurde im Bundestag nicht nur von der Opposition als kontraproduktiv eingestuft.

Wichtig und richtig ist auch, dass Merkel britische Vorstellungen kontert, wonach sich Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern könnte, die innereuropäische Freizügigkeit aber abschafft. Und auch die bei den britischen Konservativen verbreitete Annahme, London könne erst einmal über einen Verhandlungsrahmen mit der EU sprechen, bevor es den Austrittsantrag stellt, wies sie zurück. Weder formell noch informell werde es irgendwelche Gespräche mit London geben, bevor nicht der Antrag da sei, stellte sie klar.

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Nun bleibt zu hoffen, dass die EU insgesamt diese Linie auch durchhält. Es darf nicht sein, dass sich die Briten bereits im Vorfeld eines Antrags Vorteile sichern, die für andere assoziierte Länder wie Norwegen, der Schweiz oder Island bisher nicht gelten. Besonders wichtig auch: Eine EU-Mitgliedschaft muss sich sichtbar für alle von einer Nicht-Mitgliedschaft unterscheiden. Wer Mitglied im Club ist, muss daraus besondere Vorteile haben. Alles andere würde die EU ad absurdum führen.

(mar)
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