"Briten würden sich selbst schaden" Cameron trommelt für EU-Verbleib Großbritanniens

London · Rund drei Wochen vor dem EU-Referendum in Großbritannien hat Premierminister David Cameron seine Landsleute erneut inständig um ein Ja zu einem Verbleib in der Staatengemeinschaft gebeten.

Ein Brexit "wäre ein Akt wirtschaftlicher Selbstbeschädigung", warnte er am Donnerstagabend in einem Interview des Senders Sky News. Zudem könne es ein Jahrzehnt dauern, bis Großbritannien neue Handelsabkommen ausgehandelt habe.

Cameron wandte sich auch gegen den Vorwurf der Brexit-Befürworter, er betreibe Angstmache. "Ich mache mir aufrichtig Sorgen darüber, was passiert, wenn wir rausgehen."

Er habe auch nicht übertrieben, als er im Mai gewarnt habe, dass ein Brexit die Gefahr eines Krieges in Europa erhöhen werde. Auf dem Kontinent habe es im letzten Jahrhundert schon zweimal ein enormes Blutbad gegeben. "Können wir so zuversichtlich sein, dass wir alle Probleme Europas und alle Spannungen Europas gelöst haben?", fragte Cameron.

Bei der Sendung von Sky News wurde der Regierungschefs zudem zu den Auswirkungen für die Migration befragt. Er beharrte darauf, dass Großbritannien in der EU verbleiben und zugleich über eine Senkung der Sozialhilfe und andere Maßnahmen die Einwanderung regeln könne. Es sei "verrückt", eine Kontrolle der Migration durch einen Rückzug aus der Gemeinschaft zu erreichen und damit "unsere Wirtschaft zu zerstören", sagte Cameron.

EU-Bürger haben das Recht, in anderen Mitgliedsstaaten zu leben und zu arbeiten. Die konservative Regierung von Cameron hat angekündigt, die Zahl der Zuwanderer auf weniger als 100.000 pro Jahr zu drücken. 2015 betrug deren Zahl indes 330.000, knapp die Hälfte der Neuankömmlinge kommt aus anderen EU-Ländern.

Die Brexit-Befürworter beklagen den Druck, unter dem der heimische Arbeitsmarkt und die öffentlichen Dienste durch die Zuwanderer aus anderen EU-Ländern stünden. Die Fürsprecher eines Verbleibs in der EU bemühen hingegen - wie auch Cameron - das ungewisse wirtschaftliche Fahrwasser, in das sich das Land im Falle eines Ausstiegs aus der Staatengemeinschaft begeben würde.

Abstimmung über Brexit am 23. Juni

In Großbritannien wird am 23. Juni darüber abgestimmt, ob das Land in der EU bleiben soll oder nicht. Der Ausgang der Abstimmung ist laut Umfragen völlig offen, entsprechend hitzig wird die Brexit-Debatte derzeit auf der Insel geführt.

Viele Wähler zeigen sich frustriert über all die Behauptungen und Gegenbehautungen in der Diskussion, was sich auch im Studiopublikum der Sendung mit Cameron bahnbrach, das sich aus Vertretern beider Lager und aus Unentschlossenen zusammensetzte.

Ein Chef der Brexit-Kampagne, Matthew Elliott, nahm die Skepsis des Publikums als Beleg, dass "die Öffentlichkeit Cameron nicht vertraut.
Dieser habe nur ein falsches Argument vorzuweisen gehabt - nämlich, dass Großbritannien des Handels mit Europa wegen in der EU bleiben müsse, sagte Elliott. Dies sei aber unwahr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich am Donnerstag ebenfalls ein. Großbritannien werde bessere Resultate von der EU bekommen, wenn man mit am Verhandlungstisch sitze anstatt von außen einzuwirken versuche.

Cameron selbst räumte ein, dass er den Umgang mit der EU frustrierend finde. "Manchmal treibt mich diese Organisation in den Wahnsinn", sagte er. "Aber sitze ich hier und denke, dass Großbritannien besser dran wäre, wenn wir aussteigen? Sind wir Drückeberger?...Absolut nicht."

Deutsche für Verbleib in der EU

Derweil lehnt eine große Mehrheit der Deutschen einen EU-Austritt Großbritanniens ab. Im am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" sprachen sich 67 Prozent der Befragten gegen den sogenannten "Brexit" aus. Lediglich acht Prozent würden gern auf Großbritannien in der EU verzichten und 23 Prozent wäre dies egal.

Einen größeren wirtschaftlichen Schaden für Deutschland befürchten die meisten Befragten allerdings nicht, falls es doch zum "Brexit" kommen sollte. Nur vier Prozent erwarten einen sehr großen Schaden, 29 Prozent einen großen Schaden, 44 Prozent einen nicht so großen Schaden und elf Prozent rechnen mit gar keiner negativen Wirkung.

(felt/ap)
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