"Balkan-Route geschlossen" Merkel gegen Formulierung in Gipfel-Erklärung

Brüssel · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unmittelbar vor dem EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise der Forderung nach Schließung der Balkanroute widersprochen.

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"Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird", sagte sie am Montag beim Eintreffen im Gipfelgebäude. Die Zahl der Flüchtlinge müsse nicht nur für einige Länder, sondern für alle verringert werden. Dazu sei eine "nachhaltige Lösung" gemeinsam mit der Türkei erforderlich.

Merkel wandte sich damit gegen eine Formulierung im Entwurf der Schlusserklärung des Gipfels, wonach die Balkanroute für Flüchtlinge aus Syrien nun "geschlossen" sei.

Ohne einzelne osteuropäische Länder oder Österreich beim Namen zu nennen, kritisierte Merkel einseitige Maßnahmen, die nur einigen wenigen EU-Staaten helfen würden. Österreich und einige Staaten auf der sogenannten Balkanroute hatten unilateral nationale Obergrenzen für die Aufnahme von Asylbewerbern oder durchreisende Migranten aufgestellt. Deshalb stranden immer mehr zurückgewiesene Migranten an der teilweise geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze im EU-Staat Griechenland.

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Flüchtlinge: Dramatische Szenen an der mazedonisch-griechischen Grenze

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"Ich hoffe, dass wir beim Erreichen dieser Ziele einen Schritt weiterkommen", sagte Merkel mit Blick auf den Gipfel. Sie erwarte aber schwierige Verhandlungen.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hat sich ebenfalls gegen eine komplette Abschottung der Balkanroute ausgesprochen: "Ich glaube nicht, dass das ein Gipfel ist, bei dem Türen geschlossen werden", sagte er am Montag vor Beginn der Beratungen. "Ich hoffe, dass wir vernünftige und humanitäre Lösungen finden, Flüchtlingen zu helfen, die unseres Schutzes dringend bedürfen."

Im Gegensatz zur Bundeskanzlerin erkennt Frankreichs Staatspräsident François Hollande die faktische Blockade der Balkanroute für Flüchtlinge an: "Sie ist geschlossen, damit wird Griechenland den wesentlichen Teil der Flüchtlinge nehmen", sagte Hollande vor dem EU-Türkei-Gipfel am Montag in Brüssel. "Wir müssen Griechenland helfen und verhindern, dass weiter Flüchtlinge in Griechenland ankommen, deswegen müssen wir mit der Türkei zusammenarbeiten."

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras appellierte derweil an die Solidarität der übrigen EU-Staaten . "Das ist nicht das Problem eines einzelnen Landes, sondern ein europäisches Problem", sagte Tsipras am Montag. Er forderte erneut, dass Flüchtlinge innerhalb Europas schneller verteilt werden.

Beratungen über Eindämmung des Stroms

Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten mit der Türkei darüber, wie der Flüchtlingsstrom aus der Türkei Richtung Europa gestoppt werden soll. Danach bestimmt die EU untereinander ihren weiteren Kurs.

In dem Entwurf der Abschlusserklärung heißt es: "Der irreguläre Strom von Migranten auf der Westbalkanroute kommt zu Ende. Diese Route ist jetzt geschlossen." Allerdings ist diese Formulierung im Kreis der 28 EU-Staaten umstritten, weil sie so interpretiert werden kann, dass dies alle Flüchtlinge betrifft. Tatsächlich aber können etwa syrische Bürgerkriegsflüchtlinge weiter von der Türkei über Griechenland und die Balkanstaaten nach Norden reisen, allerdings in eingeschränkter Zahl.

(das/dpa/AFP/rtr)
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