Gipfeltreffen in Brüssel Türkei überrumpelt EU mit neuen Ideen

Brüssel · Die Verhandlungen beim EU-Gipfel mit der Türkei zur Flüchtlingskrise sind schwieriger als erwartet. Überraschend hat der türkische Ministerpräsident Davutoglu nach Angaben aus Brüssel neue Vorschläge gemacht. Plötzlich heißt es: "Sie bieten mehr, sie verlangen mehr."

 Der türkische Ministerpräsident Davutoglu spielt bei den Verhandlungen in Brüssel eine Schlüsselrolle.

Der türkische Ministerpräsident Davutoglu spielt bei den Verhandlungen in Brüssel eine Schlüsselrolle.

Foto: afp, AJ

Statt den Teil mit der Türkei bereits am Nachmittag abzuschließen, werde der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nun auch zum Abendessen bleiben, sagte ein EU-Vertreter am Nachmittag in Brüssel. Davutoglu habe in einer ersten Runde "einige neue Ideen und neue Vorschläge" präsentiert.

Nach ursprünglicher Planung sollte der Gipfel zwei klar getrennte Teile haben. Der Abschnitt mit der Türkei sollte bis 15 Uhr abgeschlossen sein. Danach wollten die europäischen Staats- und Regierungschefs unter sich über die Lage in der Flüchtlingskrise innerhalb EU beraten. Dabei sollte es insbesondere um Griechenland gehen, wo wegen der Grenzschließungen entlang der Balkanroute mittlerweile zehntausende Flüchtlinge festsitzen.

Mit Details hält sich Ankara zurück

Der irische Regierungschef Enda Kenny hatte zu Gipfelbeginn gesagt, die Türkei habe jüngst "eine weitere Forderungsliste" für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise vorgelegt. Nach Angaben der "Financial Times" gehört dazu eine schnellere Visa-Liberalisierung für türkische Bürger, die Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses und mehr als die für Flüchtlinge in der Türkei bereits zugesagten drei Milliarden Euro.

Ein Sprecher der türkischen Delegation bestätigte, dass Ankara einen neuen Vorschlag vorgelegt hat. "Wir versuchen einen Weg zu eröffnen, um diesen Prozess zum Erfolg zu bringen", sagte er. Details wollte er nicht nennen. Der Sprecher bekräftigte Angaben Davutoglus, dass es für die Türkei nicht nur um die Flüchtlingsfrage gehe, sondern auch um die EU-Betrittsverhandlungen.

"Die Choreographie hat sich geändert", sagte der EU-Vertreter. Nach dem Mittagessen mit Davutoglu würden die 28 EU-Staats- und Regierungschefs zu einer Arbeitssitzung zusammenkommen und die "neuen Ideen" aus Ankara diskutieren. Diese seien "in allen Aspekten ehrgeiziger", sagte der EU-Vertreter. "Ich denke, das wird einige Zeit dauern."

Gestritten wurde am Montag auch über eine Formulierung im Entwurf der Gipfelerklärung, wonach die Balkanroute "nun geschlossen" ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte diese ab. "Das wird umformuliert", sagte ein Diplomat nach ersten Beratungen zu der Frage. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzte sich demnach dafür ein, dass der umstrittene Satz gestrichen wird.

Derweil hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die EU zur Auszahlung der im Flüchtlings-Aktionsplan vereinbarten drei Milliarden Euro aufgefordert. "Es ist nun vier Monate her, und sie haben das Geld noch immer nicht überwiesen", sagte Erdogan am Montag in Ankara. Sein Regierungschef Davutoglu müsse beim EU-Sondergipfel in Brüssel eine Zusage erhalten. "Ich hoffe, dass er mit dem Geld zurückkehrt", sagte der Staatschef.

Beratungen über Aktionsplan

Die EU und die Türkei hatten Ende November einen Aktionsplan vereinbart. Brüssel sagte Ankara darin unter anderem Finanzhilfen in Höhe von drei Milliarden Euro zu. Die Türkei verpflichtete sich im Gegenzug, Flüchtlinge an der Weiterreise in die EU zu hindern. Einen deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen gab es bislang nicht. Bei dem Treffen in Brüssel soll über die Umsetzung des Aktionsplans beraten werden.

Erdogan wies Vorwürfe zurück, wonach seine Regierung die Verantwortung für die ungeregelte Einwanderung von Flüchtlingen nach Europa trage. "Sie sagen uns: 'Lasst die Flüchtlinge nicht einreisen'. Einverstanden, aber nicht wir schicken sie. Sie kommen über das Meer und viele von ihnen sterben leider dabei". Nach Angaben Erdogans rettete die türkische Küstenwache bislang etwa 100.000 Menschen aus Seenot.

Die Türkei beherbergt etwa 2,7 Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Im vergangenen Jahr gelangten die meisten Flüchtlinge über die Türkei in die EU und nach Deutschland. Noch immer legen täglich Flüchtlingsboote von der türkischen Küste Richtung Griechenland ab.

(AFP)
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