Berlin EU will Grenzen wieder öffnen

Berlin · Beim Gipfel am Montag wollen sich die 28 EU-Staaten auf einen Fahrplan in der Flüchtlingspolitik einigen, der Binnenkontrollen überflüssig macht. Kanzlerin Merkel sondierte gestern in Paris.

In die europäische Flüchtlingskrise kommt Bewegung: Die EU-Kommission legte gestern einen Fahrplan vor, nach dem die Ordnung an den Außen- und Binnengrenzen in Europa spätestens bis Ende des Jahres wiederhergestellt werden soll. Ziel ist es, den Zustrom der Flüchtlinge so zu kontrollieren, dass auch die Balkan-Länder und Österreich Kontrollen an ihren Binnengrenzen nicht mehr für nötig halten.

Am Montag kommen in Brüssel die 28 EU-Staats- und Regierungschefs mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zusammen. Im Mittelpunkt der Beratungen stehen der Schutz der EU-Außengrenzen, die Versorgung und Registrierung der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge und die Frage, wie Europa seine offenen Binnengrenzen wiederherstellen kann. Konsens in der EU ist, dass man die Politik des "Durchwinkens" von Flüchtlingen beenden will. Streit gibt es über den Weg dorthin. Lässt man einzelne Binnengrenzen so lange geschlossen, bis die Außengrenze gesichert ist, wie dies die CSU, Österreich und die Balkanländer wollen? Oder hält man den Flüchtlingszustrom aus, bis die Außengrenze effektiv und humanitär vertretbar geschützt sind, wie Kanzlerin Angela Merkel dies will?

Gestern zeigten sich erneut diese Differenzen in der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik. Während Merkel nach Paris reiste, um Frankreich in der Flüchtlingspolitik demonstrativ wieder an die Seite der Deutschen zu holen, stattete CSU-Chef Horst Seehofer dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán einen Besuch ab. Orbán lehnt eine europäische Verteilung von Flüchtlingen strikt ab. Er sagte nach dem Treffen mit Seehofer, Ungarn werde keine Vereinbarung akzeptieren, die einen Transfer von Migranten aus der Türkei in das Land vorsehe.

Bei der SPD stieß die Reise Seehofers auf Empörung: "Ich halte es für verantwortungslos, der Kanzlerin kurz vor dem entscheidenden Gipfel derartig in den Rücken zu fallen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der "Bild"-Zeitung. Dabei sieht die CSU die Wende in der Flüchtlingspolitik durch die weitgehende Schließung der Balkan-Route längst gekommen. Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber macht auch bei der Kanzlerin eine neue Haltung in der Flüchtlingspolitik aus: "Ich begrüße es außerordentlich, dass die Bundeskanzlerin klargestellt hat, dass die Flüchtlinge in Griechenland bleiben müssen", sagte Stoiber unserer Redaktion. Damit vertrete sie eine andere Haltung als noch Anfang September, als sie die deutsche Grenze für Flüchtlinge aus Ungarn öffnete. "Damit wachsen auch die Chancen für eine europäische Lösung", betonte Stoiber. Diese benötige Zeit. "Deshalb brauchen wir ergänzend dazu nationale Maßnahmen wie eine Obergrenze und eine bessere Sicherung der deutschen Grenze, sonst schafft Deutschland es nicht", erklärte Stoiber.

Nach den Plänen der EU-Kommission soll es bis zum 12. Mai gelingen, alle in Griechenland ankommende Flüchtlinge zu registrieren. Die geplante europäische Grenz- und Küstenwache soll ab September voll einsatzfähig sein. Gelingt die Rückkehr zu offenen Binnengrenzen nicht, könnte dies Europa teuer zu stehen kommen: Eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen zwischen allen Schengenstaaten kostet der EU-Kommission zufolge die Wirtschaft zwischen fünf und 18 Milliarden Euro.

Merkel reist bereits morgen Abend nach Brüssel. Möglicherweise trifft sie sich schon vorab mit Ministerpräsident Davutoglu.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort