Essen Es gärt in Essens SPD

Essen · Nach dem Rücktritt von Britta Altenkamp braucht die Partei eine neue Führung. Kommt Justizminister Thomas Kutschaty?

Heile Welt herrscht auf der Internetseite von Essens SPD. Ganz aktuell ist dort eine Einladung zum politischen Aschermittwoch in einer Brauerei zu finden, jedoch keine Silbe zum Rücktritt von Parteichefin Britta Altenkamp, der den vorläufigen Höhepunkt in dem schon seit Wochen anhaltenden Konflikt um die Flüchtlingsunterbringung in der Stadt bildet. Kein Zweifel: In Essens SPD gärt es gewaltig - und vorerst ist kein Ende in Sicht.

Begonnen hat alles mit einem "WAZ"-Interview Anfang Januar, in dem SPD-Ratsmitglied Guido Reil davor warnte, noch mehr Flüchtlinge im Norden der Stadt unterzubringen, der bereits einen Ausländeranteil von 40 Prozent aufweise. Bislang, so Reil, der aus dem nördlichen Stadtteil Karnap stammt, sei es "kaum gelungen, Menschen aus dem arabischen Kulturkreis zu integrieren. Warum soll das demnächst besser klappen?"

Kurze Zeit später kündigten Genossen aus Karnap, Altenessen und Vogelheim eine Demo unter dem Motto "Genug ist genug. Integration hat Grenzen. Der Norden ist voll" an. NPD und AfD sprangen nur allzu gern auf und kündigten ihre Teilnahme an. Für SPD-Landeschefin Hannelore Kraft war damit der Siedepunkt erreicht. Die SPD, so stellte sie energisch klar, stehe für eine "offene und vielfältige Gesellschaft und eine Willkommenskultur für Flüchtlinge". Protestaktionen, die das in Frage stellten, "lehnen wir entschieden ab", kanzelte sie die Essener Genossen ab, die daraufhin die Aktion abbliesen.

Schon damals geriet Essens SPD-Vorsitzende Britta Altenkamp in die Kritik: Wieso sei es ihr nicht gelungen, der Partei diese Peinlichkeit zu ersparen, die bundesweit Aufsehen erregte? Doch ihre Autorität war längst untergraben. Noch ist unvergessen, wie sie den damaligen Essener SPD-Oberbürgermeister Reinhard Pass 2014 öffentlich demontierte ("für den OB-Posten die falsche Person") und damit zu dessen Niederlage im Wahlkampf 2015 beitrug.

Als sie sich jetzt im Namen der Essener SPD öffentlich von dem Karnaper Demo-Aufruf distanzieren wollte, legten sich Teile des Parteivorstands quer. In ihrer Pressemitteilung musste Altenkamp ihre Kritik an Guido Reil ("Wer sagt, dass wir es nicht schaffen, gibt Integration auf") als private Meinungsäußerung kennzeichnen. Eine weitere derbe Schlappe für die Essener SPD-Chefin, die auch stellvertretende Vorsitzende der Landespartei und der Landtagsfraktion ist. Noch.

Ruhe kehrte auch nach der Absage der Demo bei der SPD nicht ein. Der Plan, im Norden statt des mit viel Hoffnungen verknüpften Hafenquartiers (Marina) erst einmal große Flüchtlingsheime zu errichten, wirkt weiter wie ein Spaltpilz zwischen den Genossen, die in den betroffenen Stadtteilen wohnen, und denen in Essens Süden, der bislang vergleichsweise verschont geblieben ist. Zwar sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) zu, die Verteilung der Flüchtlinge zu überprüfen, doch es gärt weiter bei den Sozialdemokraten. Als in der vergangenen Woche SPD-Stadtteilpolitiker die Bildung einer Bürgerinitiative gegen die Flüchtlingspolitik ankündigten, stieg Altenkamp aus. Ihr sei deutlich geworden, "dass ich aufgrund meiner Verpflichtungen im Haupt- und Ehrenamt einfach nicht genügend Zeit aufbringen kann, um die Aufgabe der UB-Vorsitzenden (gemeint ist der Unterbezirk Essen, d. Red.) so wahrzunehmen, wie es notwendig ist".

Das ist aber nur ein Vorwand. Tatsächlich hatte Altenkamp ihren Unterbezirk längst nicht mehr im Griff. Denkbar ist, dass sie von Kraft, der der Wirbel um die Essener SPD überhaupt nicht ins Vorwahlkampf-Konzept passt, zu diesem Schritt gedrängt wurde. Der Rückzug dürfte jedenfalls das Ende der landespolitischen Karriere der 51-jährigen Essenerin markieren.

Und wie geht es weiter? "Essens SPD braucht jemanden, der die Lager wieder zusammenführt", heißt es in Düsseldorf. An erster Stelle wird dies Justizminister Thomas Kutschaty zugetraut, der Parteivize in Essen ist. Gute Aussichten hat aber wohl auch die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz. Doch so oder so: SPD-Chefin Kraft braucht den raschen Neuanfang im Revier. Ab morgen tagen die Parteigremien in Essen; und noch in dieser Woche soll eine Entscheidung fallen.

(hüw)
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