Ankara Ernüchterung nach Erdogans Sieg ist nicht nur politisch

Ankara · Nach dem klaren Wahlsieg der islamisch-konservativen Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) setzt bei vielen Türken Ernüchterung ein, und zwar ganz wörtlich. Wer zum Jahreswechsel einen der beliebten Präsentkörbe bekommt, wird darin keine alkoholischen Getränke mehr vorfinden. Die staatliche Regulierungsbehörde für Alkohol und Tabak hat ein entsprechendes Verbot erlassen.

Demnach dürfen die Händler, die solche Geschenke zusammenstellen, ab sofort weder Wein noch Schnaps, Bier oder Champagner in die beliebten Körbe legen. Aydin Agaoglu, der Vorsitzende des türkischen Verbraucherverbandes, erklärte, das Verbot sei zwar ein positiver Beitrag zur öffentlichen Gesundheit. Der Staat habe aber kein Recht zu bestimmen, ob ein Geschenk ein Produkt enthalten dürfe, das als solches nicht verboten sei.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, ein strenggläubiger Muslim, führte schon als Regierungschef in den vergangenen Jahren einen erbitterten Feldzug gegen den Alkohol. 2013 wurde auf seine persönliche Initiative ein Gesetz verabschiedet, das den Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen und in Parks verbietet. Im Umkreis von 100 Metern um Moscheen und Bildungseinrichtungen darf kein Alkohol verkauft werden, was in vielen Stadtteilen auf ein flächendeckendes Verbot hinausläuft.

Werbung für Alkoholika ist verboten. Nach 22 Uhr ist der Verkauf generell untersagt. Im Einzelhandel dürfen alkoholische Getränke nicht durch das Ladenfenster zu erkennen sein. In vielen Restaurants wird gar kein Wein oder Bier mehr ausgeschenkt. Der Steuersatz auf Bier wurde unter der AKP-Regierung von 18 auf über 60 Prozent erhöht. Die hohen Steuern führen jedoch dazu, dass immer mehr gepanscht wird. So starben Anfang November in Istanbul 29 Menschen, nachdem sie Anisschnaps getrunken hatten, dem hochgiftiger Methylalkohol beigemischt war.

(RP)
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