Ankara Erdogan droht mit Grenzöffnung

Ankara · Die türkische Führung stellt den Flüchtlingspakt mit der EU infrage und reagiert so auf die Forderung des EU-Parlaments, den Beitrittsprozess einzufrieren. Die Bundesregierung zeigt sich unbeeindruckt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der Europäischen Union mit der Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge und einer Aufkündigung des Flüchtlingspakts gedroht. "Wenn ihr weitergeht, werden diese Grenzübergänge geöffnet werden", sagte Erdogan mit Verweis auf die Grenzen der Türkei zu den EU-Ländern. Er reagierte auf die nicht bindende Empfehlung des Europäischen Parlaments, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. "Weder ich noch mein Volk werden uns von diesen leeren Drohungen beeindrucken lassen", sagte Erdogan. Das Migrationsabkommen zwischen der EU und der Türkei sieht unter anderem vor, dass die Türkei ihre Grenzen zu den EU-Staaten Griechenland und Bulgarien besser kontrolliert. Zugleich hat sich die EU bereit erklärt, für jeden abgeschobenen Flüchtling einen vom Bürgerkrieg bedrohten Asylbewerber aufzunehmen.

Die Bundesregierung zeigte sich von den Drohungen unbeeindruckt. Man gehe weiter davon aus, dass das Abkommen auch im türkischen Interesse sei, sagten eine Regierungssprecherin und eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.

Bereits am Donnerstag hatte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim gesagt: "Wir sind einer der Faktoren, die Europa beschützen. Wenn Flüchtlinge durchkommen, werden sie Europa überfluten und übernehmen." Ähnliche Drohungen gab es in der Vergangenheit. Die Türkei erhält im Gegenzug zu dem Grenzschutz drei Milliarden Euro bis 2018 für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge im Land. Für die Zeit danach hat die EU weitere drei Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Wie die Bundesregierung hat auch die EU-Kommission mehrfach erklärt, sie erwarte keine Aufkündigung des Abkommens durch die Türkei, weil es in deren eigenem Interesse sei. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. "Das Flüchtlingsabkommen wird auf beiden Seiten kritisch gesehen", sagte der Sozialdemokrat unserer Redaktion. "Aber es nützt allen." Dadurch würden die syrischen Flüchtlinge in der Türkei besser versorgt. Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten lehnen die Forderung des Europäischen Parlaments und Österreichs ohnehin ab, die Verhandlungen mit der Türkei auszusetzen oder ganz zu beenden. "Wir haben großes Interesse daran, dass die Türkei den europäischen Weg weiterverfolgt", sagte die Außenamts-Sprecherin. Ein Einfrieren der Verhandlungen würde die durch die innenpolitischen Vorgänge in der Türkei ohnehin schwer beeinträchtigten Beziehungen zur EU noch weiter beschädigen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt warf der EU und der Bundesregierung vor, sie hätten sich mit "dem schmutzigen Türkei-Deal" erpressbar gemacht. Deutschland habe keine Vorkehrungen getroffen, um auf erneut steigende Flüchtlingszahlen besser vorbereitet zu sein als 2015.

Der stellvertretende Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hat einen besseren Grenzschutz für Europas Küsten gefordert. "Dem Versuch Erdogans, eine Erpressungskulisse aufzubauen, begegnet man am besten mit echten Reformen und nicht mit Symbolpolitik, bei der die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein zahnloser Tiger bleibt", sagte Lambsdorff unserer Redaktion. Die Drohung Erdogans zeige, wie notwendig es sei, dass Europa einen echten europäischen Grenzschutz schaffe. Lambsdorff verwies darauf, dass es nicht im Interesse der Türkei liege, die Beziehung mit Europa nachhaltig zu stören. "Die Türkei braucht Europa für ihre Sicherheit und für ihre Wirtschaft."

(rtr/qua)
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