München Durchbruch zum Frieden in Syrien?

München · Mit großen Ambitionen startet die Münchner Sicherheitskonferenz. Der Ausgang ist aber ungewiss.

Ursula von der Leyen scheint auf der Höhe der plötzlichen Dynamik zu sein. Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz wirft die Verteidigungsministerin schon mal einen Blick auf den Wiederaufbau Syriens. Den werde die Bundeswehr mit einem zivilen Ausbildungsprogramm für syrische Flüchtlinge als Maurer, Elektriker oder Wassertechniker schon bald unterstützen. Und wenn es dann wieder eine anerkannte und legitime Regierung in Damaskus gebe, könne Deutschland die Ausbildung von Polizei und Militär übernehmen. Sie würde sich freuen, wenn Bundeswehr und französische Armee diesen Schritt gemeinsam gingen, sagt von der Leyen an den neben ihr sitzenden französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian gewandt. Als sei der Frieden in Syrien greifbar nahe, das grausame Morden so gut wie überwunden.

In der Tat unterscheidet sich diese 52. Sicherheitskonferenz von den vorangegangenen, als trotz Zehntausender, dann Hunderttausender Toter der Bürgerkrieg in Syrien nur Anlass für Beschäftigung am Rande, später zu analytischem Bedauern war. Jetzt ist der Befund ein anderer: Die ganze Region droht zu kollabieren, der islamistische Terror außer Kontrolle zu geraten - und als Folge ein Flüchtlingsansturm von ungeahnten Ausmaßen auch Europa zu destabilisieren. Und so handelt München. Versucht es zumindest.

Im Vorfeld der eigentlichen Sicherheitskonferenz tritt die internationale Syrien-Kontaktgruppe in München zusammen und verständigt sich in den frühen Morgenstunden auf Hoffnungsvolles: sofortige Reduzierung der Kämpfe mit dem Ziel eines Waffenstillstands binnen einer Woche, Versorgung der eingeschlossenen Menschen aus der Luft und per Lkw-Konvoi, beginnend noch an diesem Wochenende, Neustart der Friedensgespräche zwischen Assad-Regime, gemäßigter Opposition und weiteren Beteiligten in absehbarer Zeit.

Die westlichen Konferenzteilnehmer bleiben skeptisch. Schließlich waren die Russen mit der Vorstellung nach München gereist, ab nächstem Monat in Syrien die Waffen schweigen zu lassen. Das klingt nach Ukraine-Muster, vor einer absehbaren Verständigung am Konferenztisch auf dem Schlachtfeld schnell noch Fakten zu schaffen, die Verhandlungsposition durch Bomben zu verbessern.

Von der Leyen bringt es auf die Formel: "Wer wirklich Frieden will, muss nicht wochenlang warten." Ob tatsächlich etwas hinter dem "Funken Hoffnung" stecke, müsse sich darin erweisen, dass jetzt humanitäre Zugänge zu den eingeschlossenen Menschen eröffnet würden. Und das bedeutet, dass die UN Städte, Dörfer, Straßen und Wege benennen, wo die Waffen sofort und dauerhaft zu schweigen haben.

Jordaniens König Abdullah II. warnt kurz darauf vor dem längst laufenden "Dritten Weltkrieg mit anderen Mitteln". Dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak den Boden zu entziehen, die Terroristen in den anderen Teilen der Welt machen zu lassen - diese Strategie könne nicht erfolgreich sein. Es ist der Moment, in dem Eilmeldungen auf den Smartphones der Konferenzteilnehmer die syrische Wirklichkeit in den Saal bringen: Assad wolle um ganz Syrien kämpfen. Und wenig später: Russland unterstütze Assads Vorgehen mit eigenen Truppen.

Da ist sie wieder, die Erkenntnis, dass zu viele verschiedene Interessen im Spiel sind, um auf Anhieb wirklich voranzukommen. Wie zur Bestätigung spricht der irakische Premierminister nicht nur über den gemeinsamen Kampf gegen den IS, gibt nicht nur das Versprechen, die letzte irakische IS-Bastion im Irak, Mossul, noch in diesem Jahr zurückzuerobern. Er spricht auch das militärische Vorgehen türkischer Truppen im Nordirak an - und mahnt ihren Rückzug an. Ohne irakische Zustimmung habe die Türkei dort nichts zu suchen. Der nächste Konflikt kündigt sich an.

Dabei sind die Schritte zum Erfolg in Syrien noch längst nicht koordiniert. Während Russland erkennbar Assad halten und stärken will, tritt der saudi-arabische Außenminister Adel al Dschubair mit der Überzeugung vor die Sicherheitskonferenz, dass der IS in Syrien nicht besiegt werden könne, solange nicht dessen Förderer Assad verschwunden sei. So steht am Beginn dieser Sicherheitskonferenz nicht in erster Linie eine neue bescheidene Hoffnung auf Frieden, sondern die Erkenntnis, dass die Welt seit der letzten Konferenz vor einem Jahr erneut viel unsicherer geworden ist.

(RP)
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