Düsseldorf/München Drei der Opfer waren erst 14 Jahre alt

Düsseldorf/München · Der 18-jährige Amokläufer Ali David S. hatte unter falschem Namen auf Facebook zu einem Treffen ins Olympia-Einkaufszentrum eingeladen. "Mein Sohn hatte keine Chance", sagt der Vater eines getöteten jungen Mannes.

Das Angebot sollte verlockend wirken. Eine junge Frau mit Namen Selina Akim rief am Freitag auf Facebook dazu auf, sich um 16 Uhr im Schnellrestaurant McDonald's ("Meggi") am Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) einzufinden, wo sie etwas zu Essen spendieren werde. Der in holprigem Deutsch verfasste Text lautet: "Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ. Ich spendiere euch was wenn ihr wollte, aber nicht zu teuer."

Das OEZ befindet sich in einem sozial prekären Stadtteil, in dem viele Migranten wohnen. Vor allem junge Leute treffen sich gern im Zentrum mit den zahlreichen Geschäften und Restaurants. Doch eine "Selina Akim" gibt es nicht. Niemand anders als der 18-jährige Amokläufer Ali David S. hatte den Facebook-Aufruf ins Netz gestellt. Dafür missbrauchte er das Foto einer jungen Frau mit dem Vornamen Selina und gab ihr einen falschen Nachnamen. Dies bestätigten die Ermittlungsbehörden. Die Frau hat sich inzwischen gemeldet und gesagt, sie lebe in Frankfurt; erst seit Dezember verfüge sie über einen Account. Mit der "Einladung" habe sie nichts zu tun.

Wie viele Facebook-Nutzer sich von "Selina" haben anlocken lassen, ist noch unklar. Auffallend ist, dass unter den von dem Deutsch-Iraner getöteten neun Menschen mit einer Ausnahme alle noch jung waren: Drei der Opfer waren erst 14 Jahre alt, zwei 15. Drei weitere Getötete waren 17, 19 und 20 Jahre alt. Eine 45-jährige Frau ist das älteste Opfer. Fast alle Getöteten hatten einen Migrationshintergrund.

Nach Einschätzung des Bayerischen Roten Kreuzes offenbart sich die ganze Tragik der Bluttat am Beispiel von drei aus dem Kosovo stammenden Münchner Familien, die jeweils eines ihrer Kinder verloren haben. Unter ihnen ist auch Naim Zabergja (54), der um seinen Sohn Dijamant trauert. "Dimo", der in München geboren wurde, wäre in Kürze 21 geworden. "In tiefster Trauer muss ich Verwandten, Bekannten und Freunden mitteilen, dass mein Sohn Dijamant Z. mit 20 Jahren durch die Hände von Terroristen in München getötet wurde", schrieb der Vater auf Facebook. Sein Sohn absolvierte eine Ausbildung am Münchner Flughafen. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung wollte er am Freitagnachmittag in einem Lebensmittelladen für sich und seinen Freund Silvio eine Limo kaufen. "Der Täter stand wohl direkt vor dem Edeka-Ausgang. Dimo hatte keine Chance. Sein Freund ist weggelaufen, meinen Sohn hat der Täter getötet", so der Vater.

Die Angehörigen der Opfer würden inzwischen von der Psychosozialen Notfallversorgung betreut, berichtet das Rote Kreuz. Wie es weiter heißt, wollen die drei Familien, die sich untereinander gut kennen, ihre Kinder in der Heimaterde auf dem Balkan begraben. Dies scheitere jedoch an den Überführungskosten, die die finanziellen Möglichkeiten der Familien bei Weitem überstiegen. Das Rote Kreuz in München hat deshalb eine Spendenaktion gestartet.

Zu den Opfern zählt auch der 19-jährige Giuliano K.. Ihm schoss der Amokläufer laut "Bild" in den Rücken. Ein Helfer, der den jungen Mann am Ort des blutigen Geschehens betreute, berichtete: "Der Junge hat gesagt: ,Ich will nicht sterben, aber ich sterbe jetzt'". Am Sonntag in der Frühe sei er in einem Münchner Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen. Die Nationalität des 19-Jährigen ist noch unklar. Unter den Getöteten sind auch junge Leute mit türkischen und griechischen Wurzeln. Zudem wurden 27 Menschen von Ali David S. zum Teil schwer verletzt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: "Wenn man sieht, wie viele Kinder und Jugendliche aus wie vielen Nationen unter den Opfern sind, dann zerreißt es einem schlicht das Herz."

(hüw)
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