Teheran/Riad Drahtseilakt zwischen Teheran und Riad

Teheran/Riad · Außenminister Steinmeier will Saudi-Arabien und Iran zum gemeinsamen Handeln im Syrien-Konflikt bewegen. Wie soll das gehen?

Den Umgang mit lupenreinen Autokraten ist Außenminister Frank-Walter Steinmeier gewohnt. Wenn er nicht mehr mit Ländern sprechen dürfte, deren Politik er nicht teile, hätte er viel Zeit "zur Pflege der prima Beziehungen zu Luxemburg", sagte Steinmeier neulich. Außenpolitik ist Realpolitik. So sieht er es. Ein ständiges Werben um Dialog und Kooperation, auch in unwegsamem Gelände.

Der Nahe Osten bietet davon reichlich. Unüberwindbar scheint das Gebirge, das sich zwischen Saudi-Arabien und Iran aufgetürmt hat. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate dort ist, spürt dies gleich nach seiner Ankunft. Am Dienstagabend steht der SPD-Politiker im schmucken Saal des iranischen Außenministeriums und bittet seinen Amtskollegen Mohammed Sarif um Hilfe. Die Spannungen zwischen Riad und Teheran dürften nicht den Friedensprozess für Syrien gefährden, sagt Steinmeier. Man wolle ein "guter Nachbar" sein, entgegnet Sarif daraufhin, wirft dann aber in einem minutenlangen Vortrag dem Nachbarn "Feindseligkeiten" und eine "Eskalation" vor. Ein ermunterndes Signal sieht anders aus.

Seit Jahresbeginn liegen die diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Riad auf Eis, nachdem Demonstranten die saudische Botschaft in Teheran gestürmt hatten. Zuvor hatte das Regime in Riad 47 Menschen hinrichten lassen, darunter den schiitischen Geistlichen Nimr al Nimr. Für Irans Außenminister war der Mann ein "Gelehrter". Die Saudis sahen in ihm einen Terroristen. Maximale Gegensätze. Die Beziehungen zwischen der Schutzmacht der Schiiten (Iran) und dem sunnitisch geprägten Saudi-Arabien sind nicht existent. Was kann ein deutscher Außenminister da bewirken?

Für Steinmeier ist so eine Frage Unsinn. Man müsse jedes noch so kleine Werkzeug in die Hand nehmen, um eine gefährlicher gewordene Welt ein bisschen friedlicher zu machen, so hat er vor einem Jahr die Grundzüge seiner Politik erläutert. Saudi-Arabien hat Einfluss auf die sunnitische Mehrheit in Syrien, der Iran hat einen direkten Draht zum Assad-Regime. Ohne die beiden dürfte Frieden in Syrien unmöglich sein. Also hinfahren und reden.

Aktiv, vorausschauend, verantwortungsbewusst. Das ist Steinmeiers Dreiklang für eine Außenpolitik, die nach den Alleingängen und den intellektuell eher dürren Westerwelle-Jahren die Außenpolitik wieder ins Zentrum rücken soll. Die Dauerkrisen liefern den Praxistest. Erfolge gibt es: Das Atomabkommen mit dem Iran wurde nach zehn Jahren Verhandlungen Ende 2015 abgeschlossen, Steinmeier war in seiner ersten Amtszeit einer der Initiatoren. Und in der Syrien-Frage beginnt nun nach fünf Jahren ein Dialog zwischen Regime und Opposition. Steinmeier spricht vom "Moment der Wahrheit".

Später sitzt der deutsche Außenminister beim Tee im Amtszimmer von Irans Staatspräsident Hassan Rohani. Eine Stunde nimmt sich der Regierungschef Zeit. Keine Selbstverständlichkeit. Die Deutschen haben in der Region einen Vertrauensvorschuss. Während Russland Iran protegiert und die USA Saudi-Arabien stützt, können die Europäer, besonders die Deutschen, unparteiisch agieren. Über eine gemeinsame Universität reden Steinmeier und Rohani. Irans Staatschef verspricht eine konstruktive Rolle in der Syrien-Frage. Der Sozialdemokrat legt Rohani einen Besuch in Deutschland nahe. Die Terminplanungen laufen angeblich im Kanzleramt.

Der Druck auf eine Öffnung wächst in der iranischen Gesellschaft. Die Jungen dominieren das wuselige Stadtbild in Teheran. Elektronikgeschäfte, Restaurants und der belebte Basar vermitteln den Eindruck westlicher Städte. "Die Religionswächter haben es schwer. Es ist einfacher, an Alkohol oder einen Joint zu kommen, als an neue Kletterschuhe", berichtet eine iranische Journalistin. Trotzdem bleibt die Sittenpolizei präsent und verhängt auch die Prügelstrafe, wenn sich Frauen in der Öffentlichkeit mit Männern amüsieren. Auch die deutsche Delegation spürt den Apparat. Das "Informationsministerium" überwacht jeden Schritt auf der Reise. Das Internet ist beschränkt, Fotografieren nur an bestimmten Orten erlaubt.

Bei der Vermittlermission hilft auch das Versprechen auf eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit. Eingefrorene Gelder des Regimes sind nun frei. Investitionen in die Runderneuerung der maroden Wirtschaft des 80-Millionen-Einwohner-Staats sollen folgen. Maschinenbau, Automobilbau, Infrastruktur, Finanztechnologie. Deutschland kann helfen. Und Steinmeier gibt bereitwillig den Türöffner. Seine Wirtschaftsdelegation ist hochrangig. Vertreter von Siemens, Herrenknecht, Lufthansa, Deutscher Bank, Hochtief und SAP sind dabei. Auch der Manager der Lürssen Werft, die Patrouillenboote an Saudi-Arabien verkaufen will, was im Vorfeld für Ärger bei Menschenrechtsorganisationen sorgte.

Auf seiner zweiten Station in Saudi-Arabien, diesem islamischen Zwangsstaat, geht es Steinmeier wieder um die kleinen Schritte der Annäherung. Deutschland ist erstmals Partnerland der Janadrijah, eines landesweiten Volksfestes, das die Vielfalt der Region zeigen soll. Steinmeier eröffnet mit König Salman das Fest, zu dem in drei Wochen bis zu zwei Millionen Besucher erwartet werden. Und er muss ertragen, wie ranghohe Militärs in einer langatmigen Rede ihrem König huldigen. Für die Rundfahrt durch den deutschen Pavillon, in dem sich Firmen und Organisationen präsentieren, nimmt sich der Monarch dann allerdings nur zwei Minuten Zeit. Nur "Mercedes" habe ihn wirklich interessiert, scherzt Steinmeier.

Und während die Delegation am Abend über das Festgelände schlendert, ist Steinmeier schon wieder in politischen Gesprächen unterwegs. Ob die Pendel-Diplomatie in Nahost wirklich etwas gebracht hat, wird sich wohl erst bei den Friedensverhandlungen in Genf zeigen, die gestern bis Ende Februar unterbrochen wurden, nachdem sie schon in den vergangenen Tagen mehrfach zu scheitern drohten. "In der Außenpolitik, vielleicht anders als im echten Leben, ist Hartnäckigkeit eine Tugend", sagt Steinmeier. Diese Tugend spricht dem 60-Jährigen inzwischen keiner mehr ab.

(brö)
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