Bonn Diplomat in Badehosen

Bonn · Mit spektakulären Aktionen kämpft der britische Extremschwimmer Lewis Pugh für den Schutz der Polarmeere.

Lewis Pugh ist Extremschwimmer, aber seine sportlichen Höchstleistungen dienen einem höheren Zweck. Zum Beispiel dem Schutz des Riesen-Atlantikdorschs oder dem Fortbestand der Wale, die im antarktischen Rossmeer mit russischen und chinesischen Fischfangflotten um den Dorsch konkurrieren. Seit 2012 bemühte sich die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, eine 1,5 Millionen Quadratkilometer große Rossmeer-Fläche in ein maritimes Schutzgebiet zu verwandeln. Im Oktober 2016 gelang dann der Durchbruch. 24 Staaten und die EU unterzeichnen das Rossmeer-Abkommen. Ab dem 1. Dezember ist auf einer Fläche viermal so groß wie Deutschland die kommerzielle Fischerei nahezu vollständig untersagt. Ein Meilenstein, ganz besonders auch für Lewis Pugh.

Der britische Extremschwimmer macht seit Jahren auf den Klimawandel und auf die Bedrohung der Polargebiete aufmerksam. Immer wieder steigt der Brite hierfür in eisige Gewässer. In Nordnorwegen schwamm Lewis Pugh als erster Mensch rund um das Nordkap und 2007 dann ebenfalls als erster Mensch einen Kilometer über den eisfreien Nordpol. Ein Unterfangen, von dem zwei Dutzend Ärzte dem Extremschwimmer abgeraten hatten. Doch Pugh ist Überzeugungstäter: "Menschen können Tagträumer sein, Optimisten, Realisten, Zyniker oder Pessimisten. Was ich in meinem Team brauche, sind optimistische Realisten", erklärt er. 2010 zog es Lewis Pugh in den Himalaya: Hier durchschwamm er den zwei Grad kalten Lake Pumori, einen Gletschersee am Fuße des Mount Everest. Eine Herausforderung, die Pugh an seine Grenzen bringt.

Doch 2015 schließlich wartet auf den mittlerweile von der Uno zum "Patron oft the Oceans" ernannten Pugh eine noch größere Herausforderung. Der Diplomat in Badehosen soll in internationaler Mission als Vermittler tätig werden, denn gegen das Rossmeer-Abkommen regt sich Widerstand: Russland und China sperren sich. Sie möchten die eigenen Industrieflotten nicht eingeschränkt wissen. "Dass die USA einer der Initiatoren des Abkommens waren, hat die Sache nicht einfacher gemacht", blickt Pugh zurück.

Seine Aufgabe ist es, Russland zur Unterschrift unter dem Abkommen zu bewegen. Parallel agiert der damalige US-Außenminister John Kerry als Verhandlungsführer in China. Pugh reist nach Russland, ausgestattet mit einem Ratschlag des südafrikanischen Bischofs und Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu: "Wir sind in Südafrika eine Regenbogennation. Wir mussten nach dem Ende der Apartheid lernen, uns gegenseitig zuzuhören", gibt der ehemalige Vorsitzende der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission dem Extremschwimmer mit auf den Weg. Lewis Pugh beherzigt den Ratschlag seines Freundes und tourt zunächst als Interviewpartner durch russische TV-Studios. Schließlich erreicht ihn in seinem Moskauer Hotel ein Anruf. Eine Botschaft wie aus einem Agententhriller: Ein dunkler Wagen warte vor dem Hotel auf ihn. Der Wagen bringt Pugh in ein leeres Eishockeystadion. Es ist der private Eishockeyclub, in dem Staatspräsident Wladimir Putin gerne seinen innersten Machtzirkel versammelt.

"Alles basiert in diesem Kreis auf persönlichem Vertrauen", stellte Lewis Pugh in den wenigen Minuten fest, in denen er Wladimir Putin und dessen engsten Vertrauten die Bedeutung der russischen Unterschrift unter dem Rossmeer-Abkommen erläutert. Nach dem Gespräch blieb Pugh nur banges Warten, aber dann kam die Erlösung: Die Russen würden ebenfalls unterschreiben. "Ich habe noch nie solche Momente gehabt wie in diesen Minuten, als klar wurde, dass alle 24 Staaten und die EU vor der Unterschrift unter dem Rossmeer-Vertrag stehen", sagt der Umweltaktivist.

Der Erfolg stachelt Lewis Pugh an. Nun will er noch mehr: "Es muss jetzt darum gehen, weitere große Meeresflächen im antarktischen Raum unter Schutz zu stellen", blickt er voraus auf die Verhandlungen, die auch mit der Bundesregierung unter anderem zum Schutz des antarktischen Weddell-Meeres geführt werden sollen.

Lewis Pugh schaltet bereits wieder in den Aktionsmodus. Bei der Bonner Klimakonferenz im November wurde er per Videobotschaft zugeschaltet, um für neue Schutzmaßnahmen zu werben. Ein persönliches Erscheinen in Bonn war ihm aus gutem Grund nicht möglich. Während die Weltklimakonferenz tagte, mutete der Diplomat der Weltmeere seinem Körper wieder eine Extremsituation zu. In der Antarktis stieg Pugh einmal mehr in den eiskalten Ozean, um auf die Gefahren des Klimawandels hinzuweisen und um für den Schutz der Polarregionen Aufmerksamkeit zu erregen.

(RP)
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