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Analyse Die teure Förderung der Elektroautos

Berlin · Die Bundesregierung nimmt eine Milliarde Euro Steuergeld zusätzlich in die Hand, um den Verkauf von Elektroautos anzukurbeln - trotz des Abgasskandals und obwohl die Automobilbranche zuletzt immer gut verdient hat.

Für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war dieser Auftritt gestern nicht der leichteste: Schäuble musste erklären, warum er in den Verhandlungen mit den drei Autobossen Matthias Müller (VW), Dieter Zetsche (Daimler) und Harald Krüger (BMW) am Dienstagabend im Kanzleramt nun doch einer staatlichen Kaufprämie für Elektroautos zugestimmt hatte, obwohl er die doch zuvor aus ordnungspolitischen und anderen Gründen strikt abgelehnt hatte. "So ist das. Man muss sich auch zusammenraufen, man muss zu Entscheidungen kommen. Das Schlimmste wäre gewesen, wenn wir diese Debatte noch über Monate streitig geführt hätten", sagte Schäuble. "Wenn Sie der Überzeugung sind, dass nur Sie recht haben und alle anderen, die anderer Meinung sind, nicht recht haben, dann kommen Sie nicht so furchtbar weit."

Nun denn, die Kaufprämie wird also kommen, weil die Autoindustrie monatelang erfolgreich bei den Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vorgesprochen hat - und obwohl die Branche im Abgasskandal so sehr in Misskredit geraten ist. Schon im Mai - den genauen Termin wollte die Regierung gestern absichtlich noch nicht nennen - soll es einen Kabinettsbeschluss dazu geben und von diesem Tag an sollen Käufer von Elektroautos eine Prämie beantragen können, die den Kaufpreis dieser recht teuren Fahrzeuge mindern soll.

Wie soll der Kauf eines E-Autos konkret gefördert werden? Für reine Elektroautos sollen Käufer einen Zuschuss von 4000 Euro beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) beantragen können. Für sogenannte Plug-in-Hybride mit externer Ladevorrichtung soll es 3000 Euro geben. Keinen Zuschuss gibt es für Basis-Modelle, die mehr als 60.000 Euro netto kosten. Finanziert wird die Prämie je zur Hälfte vom Bund und von der Industrie. Gefördert werden E-Autos aller Hersteller, die sich mit 50 Prozent an der Prämie beteiligen, also auch die Wagen ausländischer Hersteller. Dadurch wird vermieden, dass die EU-Wettbewerbsbehörde in der Prämie eine verbotene staatliche Beihilfe nur für deutsche Hersteller sieht. Die Zuteilung erfolgt nach dem "Windhundverfahren", das heißt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ist die Fördersumme von 1,2 Milliarden Euro verbraucht, gibt es keine Prämie mehr. Der Förderzeitraum soll offiziell 2019 enden, die Politik geht aber davon aus, dass er wegen hoher Nachfrage bereits früher ausläuft.

Was will die Regierung sonst noch zur Förderung der E-Mobilität tun? Insgesamt will Schäuble eine Milliarde Euro zur Förderung der E-Mobilität in die Hand nehmen, davon entfallen 600 Millionen auf den Anteil des Bundes an der Kaufprämie. 200 Millionen Euro sollen bis 2020 in den Aufbau einer Schnelllade-Infrastruktur fließen, weitere 100 Millionen in den Ausbau der Normalladeinfrastruktur. 15.000 neue Ladesäulen sollen entstehen. Weitere 100 Millionen Euro will Schäuble dafür ausgeben, dass künftig mindestens ein Fünftel des Fuhrparks des Bundes aus E-Fahrzeugen besteht. Der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Strom zum Beladen von Autos der Mitarbeiter soll zudem kein geldwerter Vorteil mehr sein, der versteuert werden müsste.

Wie begründet die Bundesregierung die Prämie? Die Regierung ist weit von ihrem erklärten Ziel entfernt, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen. Derzeit sind erst rund 50.000 E-Autos und Plug-in-Hybride zugelassen - bei rund 45 Millionen Fahrzeugen insgesamt. Mit dem Programm hofft die Regierung, den schleppenden Absatz nun bis 2020 auf 400.000 zu steigern. Derzeit werde "das Auto völlig neu erfunden", sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Mit der Prämie verbinde Berlin "die Hoffnung, dass die Automobilindustrie diese Herausforderung jetzt annimmt". Gabriel: "Wir machen aktive Industriepolitik." Deutschland solle nicht nur Anbieter von E-Autos sein, sondern auch Leitmarkt, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Welches Mitspracherecht hat der Bundestag? Das Kabinett beschließt die Prämie als "außerplanmäßige Bewilligung" für den laufenden Bundeshaushalt. Ihr muss nur der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen, nicht das gesamte Parlament. Dadurch wird es für die Regierung leichter, die umstrittene Prämie gegen den Willen einer großen Zahl von Unionsabgeordneten durchzusetzen. Allerdings gibt es auch unter den Haushaltspolitikern noch erheblichen Widerstand.

Welche Argumente werden gegen die Prämie vorgebracht? Nicht nur hohe Listenpreise für E-Autos, sondern auch zu geringe Reichweiten und die schlechte Ladesäuleninfrastruktur schrecken Käufer ab. Manche E-Autos kommen über 50 Kilometer kaum hinaus, teurere Modelle halten 200 Kilometer durch. Die 100.000 US-Dollar teuren Modelle des US-Herstellers Tesla schaffen 500 Kilometer. Bis Ende 2017 will Tesla ein Modell für 35.000 US-Dollar auf den Markt bringen. Das hat Interessenten weltweit elektrisiert: Innerhalb von fünf Tagen hat Tesla 300.000 Vorbestellungen erhalten, obwohl man 1000 US-Dollar anzahlen muss.

Welche Kritik trifft die Autobranche? Deutsche Autobauer haben sich der neuen Technologie lange verschlossen und drohen jetzt den Anschluss zu verlieren. Sie waren zunächst auch nicht bereit, die Hälfte zur Kaufprämie beizusteuern. Deshalb konnte man sich im Kanzleramt auch nur auf 4000 statt auf 5000 Euro Prämie einigen. Dabei setzt die Branche jährlich 350 Milliarden Euro um - bei einem Gewinn von zuletzt 30 Milliarden Euro.

(mar)
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