Berlin Die neue Rechte

Berlin · Die AfD ist der eigentliche Gewinner der Bundestagswahl. Für Spitzenkandidat Alexander Gauland ist die Partei die letzte Chance auf die große Politikkarriere.

Berlin: Die neue Rechte
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Sie sind die Sieger des Abends: Alexander Gauland und Alice Weidel, die erst etwas später auf der AfD-Wahlparty ankommt, sind beide nicht für Ekstase und Ausgelassenheit bekannt. Sie wirken erleichtert, aber nicht übermütig. Beide sind bemüht, die Sache ernstzunehmen als drittstärkste Partei im Bundestag, auch wenn die SPD ihnen mit der Absage an die große Koalition die Oppositionsführung genommen hat. "Wir müssen liefern, und wir werden liefern", sagt Weidel und fordert die künftigen Abgeordneten dazu auf, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und ihre neue Aufgabe "mit Demut" zu erfüllen. Auch Gauland hat zuvor schon vor Provokationen gewarnt, denn "da draußen warten viele, die die AfD nur in irgendeine rechte Ecke stellen wollen", sagt der 76-Jährige.

Dabei haben genau solche Schlagzeilen der AfD offenbar mehr genutzt als geschadet. Beide Spitzenkandidaten sind in den letzten Wahlkampfwochen mit scharfen Sprüchen und pikanten Provokationen aufgefallen, womit sie viele wütende Wähler nur noch mehr an die Partei gebunden haben. Mit rund 90 Abgeordneten und einem massiven Mitarbeiterapparat wird die Partei nun in den Bundestag einziehen. Auch wenn ein Großteil davon dem konservativ-gemäßigten Lager um Parteichefin Frauke Petry zuzuordnen ist, wird der Ton schärfer werden. Etwa ein Drittel der AfD-Fraktion im künftigen Bundestag zählt zum rechtsnationalen Flügel.

Deren Anführer ist Alexander Gauland. Der Vize-Parteichef gilt ohnehin als wichtiger Strippenzieher der AfD - und als Unterstützer der Rechtsaußen rund um den Thüringer Landeschef Björn Höcke. Im Gegensatz zu Alice Weidel hatte Gauland sich sogar gegen dessen Parteiausschlussverfahren gestemmt, das nach wie vor nicht entschieden ist. Und das nicht nur, weil er Höcke für einen Stimmenfänger hält, sondern weil sie sich auch inhaltlich nahestehen. Wie Höcke lehnt Gauland eine Zuwanderung von Menschen aus Asien und Afrika in nennenswerter Zahl ab und sorgte im Wahlkampf mit einigen rassistischen Sprüchen für Schlagzeilen.

Für Gauland scheint die AfD die logische Konsequenz und die letzte Chance auf die große Politikkarriere zu sein. In Chemnitz geboren und aufgewachsen, floh Gauland nach seinem Abitur in den Westen, studierte in Hessen Geschichte, Politik und Jura. Dort war er CDU-Mitglied und Staatssekretär, später dann Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen" in Potsdam. Die AfD scheint seine späte Rache dafür zu sein, dass sich in 40 Jahren seiner CDU-Mitgliedschaft keine Mehrheit mehr für seinen rechtskonservativen Kurs fand.

Dabei ist er längst nicht der einzige Scharfmacher der AfD-Fraktion. Zum einen geht die 38-jährige Weidel, die in einer lesbischen Beziehung mit zwei Kindern lebt, inhaltlich längst seinen Kurs mit und bekräftigt Äußerungen wie die, man müsse die Integrationsbeauftragte in Anatolien "entsorgen". In ihren Wahlkampfreden machte sie die "illegale Massenmigration" immer wieder zum Thema und steht nach einem Bericht der "Welt" im Verdacht, 2013 eine rassistische E-Mail verfasst zu haben, die noch ganz andere Seiten an der vermeintlich liberalen Ökonomin offenbart.

Die beiden aber werden mit ihren Positionen keine Ausreißer in ihrer Fraktion sein. Einige Abgeordnete werden - entgegen der Aufforderung zur Demut - im Bundestag wohl mit scharfen Tönen auffallen. Beatrix von Storch zum Beispiel, die in sozialen Netzwerken regelmäßig Grund zur Aufregung liefert. Die Nummer eins der Berliner Landesliste leugnet den menschengemachten Klimawandel und postete bereits 2009, dass man zur Rettung des Weltklimas "besser die Ozeane zubetonieren" solle, weil diese den Großteil an CO2 enthalten. 2009 bestritt sie auch die Wirksamkeit von Kondomen.

Auch Markus Frohnmaier, zuletzt Sprecher von Alice Weidel, ist für schrille Töne bekannt. Der Vorsitzende der Jungen Alternative und Listenkandidat vier aus Baden-Württemberg warf Claudia Roth vor, in der Kölner Silvesternacht "mittelbar mitvergewaltigt" zu haben, "nicht im juristischen Sinne, aber im übertragenen Sinne" - weil diese für eine multikulturelle Gesellschaft sei.

Dem künftigen Abgeordneten Sebastian Münzenmaier droht sogar Gefängnis. Der Spitzenkandidat der AfD Rheinland-Pfalz könnte sein Bundestagsmandat bald schon wieder los sein: 2012 soll er mit anderen Anhängern des 1. FC Kaiserslautern Fans von Mainz 05 überfallen haben. Am 16. Oktober sind elf Zeugen geladen, um auszusagen. Münzenmaier streitet die Vorwürfe ab.

(jra)
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