Yakov Hadas-Handelsman "Die Deutschen sind gute Gastgeber"

Der israelische Botschafter macht die radikal-islamische Hamas für die Entführung von drei Religionsschülern verantwort-lich. Trotzdem sei sein Land bereit, für den Frieden Zugeständnisse zu machen. Großes Lob finden die Deutschen.

Yakov Hadas-Handelsman: "Die Deutschen sind gute Gastgeber"
Foto: Hans-Juergen Bauer

In Israel sind drei Jugendliche entführt worden. Die Regierung macht die radikal-islamische Hamas verantwortlich. Gibt es einen neuen Krieg?

Hadas-Handelsman Das hoffe ich nicht. Unser Volk ist voller Zorn über diese hinterhältige Entführung. Und wir werden alles daran setzen, die Jugendlichen zurückzubekommen.

Haben Sie Beweise, dass es die Hamas war?

Hadas-Handelsman Ja, es waren Hamas-Terroristen.

Warum werden die Beweise nicht vorgelegt?

Hadas-Handelsman Ich kann dazu nicht mehr sagen. Nur so viel: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat einige Tage gewartet, bis er das erklärt hat. Wir sind ganz sicher, dass es die Hamas war.

Können Sie öffentlich eine Gruppe ohne Belege beschuldigen, selbst wenn sie tatsächlich für die Entführung verantwortlich ist.

Hadas-Handelsman Hamas hat in der Vergangenheit Menschen entführt. Sie beschießen jeden Tag israelisches Gebiet mit Raketen. Sie drohen damit, uns auszulöschen. Und sie drohen mit Terrorakten und Entführungen. Nur jetzt schweigen sie. Das ist doch durchsichtig. Vergessen Sie nicht, die Hamas ist auch in den Augen der Europäischen Union eine Terrororganisation.

Die Massenverhaftungen haben doch eher symbolische Bedeutung, als dass sie die Täter treffen.

Hadas-Handelsman Die Verhaftungen von Terrorverdächtigen sind ein Signal, dass wir die Bedrohung ernst nehmen. Wir können uns jetzt Zurückhaltung nicht leisten, wenn wir die Jugendlichen befreien wollen.

Ihre Kritiker sprechen von kollektiver Bestrafung der Palästinenser.

Hadas-Handelsman Das ist Unsinn. Wir verhaften Terrorverdächtige. Wir errichten zusätzliche Kontrollposten. Das macht das Leben beschwerlicher - auch für die Palästinenser, ja. Aber was sollen wir tun? Es kann keine Freizügigkeit für die Entführer geben.

Ist die Eskalation nicht auch eine Folge davon, dass der Friedensprozess nicht vorangekommen ist?

Hadas-Handelsman Ja. Aber hier hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Verhandlungen einseitig aufgekündigt. Er hat mit den Hamas-Terroristen eine Regierung gebildet. Wir verhandeln aber nicht mit Terroristen. Schon gar nicht mit solchen, die uns vernichten wollen. Das erklären sie ja ständig. Und wir nehmen es ernst.

Hätte nicht Israels Regierung stärkere Signale senden müssen, dass sie es mit dem Friedenprozess ernst meint?

Hadas-Handelsman Die neue Radikalität von Hamas hat mehr damit zu tun, dass diese Terrororganisation an Unterstützung verloren hat. Ägypten hat die Grenzen zu Gaza komplett abgeriegelt. Die Muslimbrüder und das neue Regime in Ägypten sind Todfeinde. Und die Hamas war eng mit den Muslimbrüdern verbunden. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten haben ebenfalls die Unterstützung eingestellt. Die neuen Terrorakte sind Zeichen von Schwäche.

Israels Regierung hat sich im Friedensprozess nicht eben entgegenkommend gezeigt. Trifft sie an der Eskalation eine Mitschuld?

Hadas-Handelsman Die israelische Seite war bereit, alles auf den Tisch zu legen. Die palästinensische Seite hat nicht zugegriffen. Denken Sie an das Jahr 2005. Damals zog sich der inzwischen verstorbene Ministerpräsident Scharon einseitig aus Gaza zurück. Kann es mehr Entgegenkommen geben?

Das ist lange her. Jetzt bauen Israelis Siedlungen in besetzten Gebieten.

Hadas-Handelsman Ich erzähle Ihnen dazu eine Geschichte. Bis zum Sechs-Tage-Krieg 1967 gab es keine besetzten Gebiete und auch keine Siedlungen. Trotzdem wollten unser Nachbarn keinen Frieden. Daran kann es also nicht liegen.

Die Situation hat sich aber völlig geändert.

Hadas-Handelsman Wir waren immer bereit, gegen Frieden auf die besetzten Gebiete zu verzichten. Das war 1982 so, als der Sinai an Ägypten ging, und auch 2005, als sich Israel aus Gaza zurückzog.

Sie sind also bereit, über die Siedlungen zu verhandeln?

Hadas-Handelsman Das sind wir, wenn wir dafür echten Frieden bekommen.

Warum passiert dann so wenig?

Hadas-Handelsman Wir haben 2009 für zehn Monate den Siedlungsbau ausgesetzt. Die Palästinenser sind darauf nicht eingegangen. Das beweist, dass die Siedlungsfrage nicht die Hauptfrage für den Frieden ist.

In Brüssel gab es bei einem Anschlag auf das Jüdische Museum drei Tote, darunter ein israelisches Paar. Ist auch in Europa die Lage für Israelis und Juden unsicherer geworden?

Hadas-Handelsman Wir sind davon nicht überrascht worden, aber wir sind besorgt. So etwas könnte überall geschehen, auch in Deutschland. Denn viele Dschihadisten, die in Europa aufgewachsen sind, haben jetzt in Syrien gekämpft und kehren wieder zurück.

Ist das eine neue Qualität?

Hadas-Handelsman Das nicht, aber die Zahl der Dschihadisten steigt, die Anschläge in Europa gegen Juden und jüdische Einrichtungen verüben wollen. Das ist sehr gefährlich.

Inzwischen sind viele Israelis touristisch in Deutschland unterwegs.

Hadas-Handelsman Die Zahl hat enorm zugenommen. Vor allem Berlin ist sehr beliebt bei jungen Israelis.

Warum?

Handas-Handelsman Berlin ist nicht so teuer wie andere Metropolen, dafür aber sehr touristenfreundlich. Und die Deutschen sind sehr gute Gastgeber.

MARTIN BEWERUNGE, MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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