Istanbul Die Bürokratie der Terrormiliz

Istanbul · Ein Abtrünniger hat dem IS 22.000 Fragebögen gestohlen und sie verkauft.

Tausende von Bewerbungen für den Islamischen Staat liegen auf dem Tisch des britischen Fernsehsenders Sky News in der Türkei. Akribisch sind darauf Namen, Adressen, Telefonnummern und Angaben zur Familie vermerkt. Insgesamt mussten die Bewerber 23 Fragen beantworten und genauestens Auskunft über ihre Person und Qualifikation geben. Neben dem Namen, Kampfnamen und vorherigen Wohnort sind auch Informationen zu Blutgruppe, religiöser Bildung und Dschihad-Erfahrung abgefragt worden. Die Neuzugänge konnten zudem angeben, ob sie als Kämpfer oder Selbstmordattentäter eingesetzt werden wollten. Mehr als 22.000 Fragebögen hat ein enttäuschter Dschihadist gestohlen und wohl für viel Geld an Sky verkauft. Er soll sich der vom Westen unterstützten "Freien Syrischen Armee" angeschlossen haben.

Die Daten zeigen: Die IS-Terroristen sind militante Bürokraten. Akribisch wurde alles über Neuankömmlinge erfasst, was einer Meldedatei gleichkommt. Unter den Fragebögen sollen auch bislang unbekannte Dschihadisten aus Nordeuropa, den USA und Kanada sein.

Die Informationen sind eine Goldgrube für Geheimdienste und Terrorfahnder weltweit. Vor wenigen Tagen hatte das Bundeskriminalamt bestätigt, dass deutschen Medien zugespielte Daten über IS-Unterstützer in Deutschland als authentisch eingestuft würden. Diese sind offenbar Teil der größeren Datei, die Sky News erhalten hat. Die Materialsammlung könnte helfen, neue Ermittlungen gegen IS-Anhänger aus Deutschland aufzunehmen oder bisherige Ermittlungen oder Anklagen auszuweiten.

Unterdessen ist ein weiteres Eindringen in den inneren Zirkel der Terrormiliz gelungen. Bei einer Razzia im Nordirak ist US-Spezialtruppen Sleiman Daoud al Afari ins Netz gegangen, der Leiter einer IS-Spezialeinheit, die mit der Entwicklung von Chemiewaffen beauftragt ist. Afari arbeitete schon unter Saddam Hussein im Rüstungssektor. Er habe bereits über den Einsatz von Senfgas ausgesagt, heißt es aus irakischen Geheimdienstkreisen.

(RP)
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