Giannis Varoufakis zu Gast beim Finanzminister Doktor Schäubles Lehrstunde

Berlin · Der Bundesfinanzminister erklärt seinem griechischen Amtskollegen Varoufakis in Berlin, wie Europa funktioniert – und wie es nicht funktionieren kann.

 Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärt seinem griechischen Amtskollegen Giannis Varoufakis Europa.

Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärt seinem griechischen Amtskollegen Giannis Varoufakis Europa.

Foto: afp, IW

Der Bundesfinanzminister erklärt seinem griechischen Amtskollegen Varoufakis in Berlin, wie Europa funktioniert — und wie es nicht funktionieren kann.

Goethe kommt in dieser denkwürdigen Pressekonferenz vor Hunderten Journalisten im Berliner Finanzministerium gleich zwei Mal vor. Erst erwähnt ihn Giannis Varoufakis, der griechische Finanzminister. "Goethe, Hegel, Kant" — die Griechen hätten Respekt vor diesen großen Deutschen. Aber Deutschlands Geschichte habe mit der Nazi-Zeit auch einen dunklen Fleck, und es könne stolz darauf sein, dieses dunkle Kapitel überwunden zu haben. "Vielleicht kann Deutschland am besten verstehen, welche schlimmen Auswirkungen Hoffnungslosigkeit haben kann." Europa könne froh sein, dass in Athen nicht die Nazis an die Macht gekommen seien, deutet der Grieche an.

Sein Gastgeber Wolfgang Schäuble (CDU) verzieht keine Miene, nicht an dieser und auch an keiner anderen Stelle des Vortrags seines Amtskollegen. Als er von einem griechischen Journalisten darauf hingewiesen wird, dass die größten Korruptionsfälle in Griechenland deutsche Firmen wie Siemens betreffen, verweist der Bundesfinanzminister mit einem bekannten Goethe-Satz auf die Verantwortung der griechischen Behörden, diese Korruptionsfälle zu ahnden. "Ein Jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist das Stadtquartier", sagt Schäuble.

Es ist eine Lehrstunde des 72-Jährigen nicht nur für Varoufakis, sondern für die gesamte europäische Öffentlichkeit, die hier zuschaut. "Uns geht es nicht darum, ein deutsches Europa zu schaffen", betont der Bundesfinanzminister. Aber Europa sei darauf angewiesen, dass Vereinbarungen, die von allen Regierungen der Euro-Staaten getroffen wurden, eingehalten würden.

Nicht nur die neue Regierung Griechenlands habe ein zu respektierendes Mandat ihres Volkes, auch alle anderen Regierungen hätten Mandate ihres Souveräns. "Wenn Wahlversprechen zu Lasten Dritter gemacht werden, sind sie möglicherweise nicht realistisch", sagt Schäuble. Die Eurogruppe stimme mit vielen Vorstellungen der neuen griechischen Regierung nicht überein. Griechenland und Europa insgesamt müssten durch Reformen wettbewerbsfähiger werden, "da müssen wir uns unangenehmen Wahrheiten stellen", so Schäuble. Es sei "unstreitig", dass Griechenland weiter mit der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) kooperieren müsse.

Das Wort "Schuldenschnitt" fällt nicht

Varoufakis wirbt in Berlin für eine "Überbrückungslösung" für Griechenland bis Ende Mai. Bis dahin wolle Athen mit der Eurogruppe eine Lösung für einen längerfristigen "neuen Vertrag". Athen wolle seine Pläne mit denen der Eurogruppe "kombinieren". Was genau Athen fordert, ließ er jedoch im Ungefähren. Die Forderung nach einem Schuldenschnitt wiederholte er nicht, wohl aber fiel das Wort "Umschuldung". Griechenland müsse aus der gefährlichen "Deflations- und Schuldenspirale" raus, und deshalb wird Athen wohl auf die Lockerung der Sparzusagen der Vorgängerregierung bestehen.

Deutschland sei weiterhin bereit, bis zu 500 Finanzbeamte als Berater für den Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung nach Griechenland zu schicken, das habe er mit den Bundesländern bereits besprochen, sagt Schäuble. Auch die Förderbank KfW werde ihr bereits großes Engagement in Griechenland fortsetzen.

Mehr sagt er nicht zu, denn es geht natürlich darum, den von der Europäischen Zentralbank (EZB) gerade noch einmal verstärkten massiven Druck auf die griechische Regierung jetzt nicht durch finanzielle Zusagen zu lockern. Auf die Frage, ob die Minister die Staatspleite Griechenlands ausschließen, antwortet Schäuble demonstrativ nichts. Nur Varoufakis beteuert, man werde das "D-Wort" (das englische Wort für Insolvenz lautet Default) auf jeden Fall überwinden.

(mar-)
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