Union und SPD verhandeln Wird aus der Groko jetzt die "Koko"?

Berlin · Union und SPD kommen am heutigen Mittwoch erstmals zu Gesprächen über eine mögliche Neuauflage einer großen Koalition zusammen. Bei den Sozialdemokraten wird kräftig für eine "Kooperationskoalition" als Alternative geworben. Die Union lehnt ab.

 Wollen sie oder nicht? Angela Merkel, Martin Schulz. (Montage)

Wollen sie oder nicht? Angela Merkel, Martin Schulz. (Montage)

Foto: rtr/Fabrizio Bensch

Vor dem Spitzentreffen der Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD am Mittwoch ist offen, ob und in welcher Form man künftig zusammenarbeiten will. Während sowohl Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch CSU-Chef Horst Seehofer offen für eine große Koalition werben, wird SPD-Chef Martin Schulz diese Präferenz nur nachgesagt. In der SPD-Fraktionssitzung skizzierte er am Montagabend hingegen das Modell einer sogenannten Koko, einer Kooperationskoalition, die vor allem von SPD-Linken beworben wird.

Es sieht vor, dass die SPD zunächst in eine Regierung mit der Union eintritt und Ministerposten besetzt. In einem zweiten Schritt einigen sich die Parteien auf Vorhaben wie den Haushalt, die man zusammen verabschieden will. Drittens bildet man ein Kabinett. In einem vierten Schritt allerdings wird festgehalten, dass all das, was nicht Teil der gemeinsamen Vereinbarung ist, dem Parlament überlassen wird. Die Abgeordneten der Fraktionen wären freier, Gesetzesinitiativen zu starten und sich die jeweiligen Mehrheiten unabhängig von der Regierung zu suchen. Unterm Strich stünde eben eine "Koko" oder große Koalition light.

Der SPD-Linke Frank Schwabe umschreibt es so: "Ein Kooperationsmodell ist deswegen von Vorteil, weil es mehr politischen Wettbewerb erzeugt." Das Parlament würde aufgewertet und um Themen offen gerungen. "Dass es eine Offenheit dafür in der Partei- und der Fraktionsspitze gibt, ist gut", so Schwabe weiter.

"Ein einziger monolithischer Block"

Denn am Montag hatten in der internen Sitzung dem Vernehmen nach auch Fraktionschefin Andrea Nahles sowie Außenminister Sigmar Gabriel Interesse signalisiert. Der Chef der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, hatte das Modell "Koko" zuerst ins Gespräch gebracht. Er betonte, CDU, CSU und SPD seien in der großen Koalition nur noch als "ein einziger monolithischer Block" wahrgenommen worden und die SPD habe Anträge von Linken und Grünen aus Koalitionsräson ablehnen müssen, "obwohl sie in unserem eigenen Wahlprogramm standen". Das gelte es zu vermeiden.

Bei der Union stößt die Idee auf klare Ablehnung. Das Argument: Man könne nicht Regierung und Opposition gleichzeitig sein. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) polterte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Wir können ja nicht die Therapiegruppe für die SPD abgeben." Deutschland brauche eine stabile Regierung.

Unterdessen verbreitete Merkel Zuversicht und sprach von einer "Reihe Schnittmengen" mit der SPD. Sie gehe guten Mutes in die Gespräche mit den Sozialdemokraten. Zwar ist noch unklar, in welchem Umfang über konkrete Inhalte geredet werden wird. Gemeinsamkeiten etwa bei Verbesserungen im Gesundheitswesen und im Rentensystem sind aber erkennbar.

Zwar lehnt die Union die von der SPD geforderte Bürgerversicherung ab, wonach die Beiträge zur Krankenversicherung in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten sowie auch von Beamten und wohlhabende Bürgern gezahlt werden, die derzeit oft zu einem großen Teil privat versichert sind. Eine solche "Einheitskasse" will Merkel nicht, sieht aber die Notwendigkeit, eine Zweiklassen-Mentalität von privat und gesetzlich Versicherten abzumildern. Um gegen den partiellen Pflegenotstand vorzugehen, soll es mehr Personal und eine bessere Bezahlung geben.

Bei der von der SPD angestrebten Solidarrente, wonach Arbeitnehmer nach 35 Jahren Erwerbstätigkeit bei ihren Rentenbezügen nicht unter das Niveau der Grundsicherung fallen sollen, deuteten Unionspolitiker bereits Bewegung an. Ihnen schwebt dafür aber eine längere Lebensarbeitszeit vor. Und auch beim großen Thema Europa liegen Union und SPD zwar weit, aber nicht unüberbrückbar auseinander. Merkel will alles verhindern, was nach einer Vergemeinschaftung der Schulden aussieht. Sie wird sich aber kaum einem Finanzierungsprogramm verschließen, mit dem in den EU-Staaten Investitionen angekurbelt werden sollen.

Derweil erhöhten Wirtschaftsvertreter und Gewerkschafter ihren Druck auf Union und SPD. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann forderte, rentenpolitische Fragen nicht von einer Rentenkommission beraten zu lassen. "Zwingend heute zu lösende Fragen der Rentenpolitik gehören nicht in eine Kommission", sagte er. Die Stabilisierung des Rentenniveaus, die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und die Solidarrente seien keine Fragen, die Aufschub vertrügen. "Da muss gelten: anpacken statt aussitzen."

Arbeitgeberchef Ingo Kramer warnte vor der Einführung einer Solidarrente für Niedrigverdiener. "Die Solidarrente wäre eine weitere, teure Ausweitung des Sozialstaates, finanziert vom Steuerzahler", so der BDA-Chef. Zudem widerspreche sie dem Grundsatz, dass sich die Rentenhöhe nach den eingezahlten Beiträgen richte. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, forderte Steuerentlastungen: "Insbesondere die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist überfällig."

(jd / dk / mar)
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